RECHTSGUTACHTEN
zur Rechtmäßigkeit der Hamburgischen
"Verordnung zum Schutz vor gefährlichen Hunden
und über
das Halten von Hunden (Hundeverordnung)"
( Stand 18.11.00 )
erstellt im Auftrag der
"Interessengemeinschaft verantwortungsbewußter Hundehalter"
durch Rechtsanwalt Dr. Ulrich Wollenteit
Rechtsanwälte Michael Günther, Hans-Gerd Heidel, Dr. Ulrich Wollenteit , Martin Hack, Mittelweg 150, 20148 Hamburg
I.
Sachverhalt
Am 26. Mai 2000 bissen zwei Hunde einen türkischen Jungen namens Volkan grausam zu Tode. Die Hunde der Rassen American Staffordshire Terrier und Pittbull Terrier waren bereits in der Vergangenheit wiederholt auffällig geworden. Ihr Halter - ein mehrfach vorbestrafter junger Mann - hatte nach der Hundeverordnung ergangene Auflagen nicht befolgt. Der Hamburger Senat nahm diesen Vorfall und die sich hieran anschließende Empörung der Hamburger Bevölkerung zum Anlaß, die bis dahin gültige Hundeverordnung
durch eine neue, wesentlich verschärfte "Verordnung zum Schutz vor gefährlichen Hunden und über das Halten von Hunden"
zu ersetzen.
Die Hundeverordnung wurde erneut am 18. Juli 2000
in einer geringfügig modifizierten Fassung bekannt gemacht.
Die Hundeverordnung unterscheidet zwischen 4 Arten von Hunden.
Die größte Neuerung der Hundeverordnung besteht darin, daß das Halten sog. "gefährlicher Hunde" grundsätzlich verboten wird. Halten gefährlicher Hunde ist nur noch auf Grundlage einer behördlichen Erlaubnis zulässig. Voraussetzung für die Erlaubniserteilung sind
Von der Erlaubnispflicht können die Halterin oder der Halter von Hunden der Kategorie II freigestellt werden, wenn durch ein sogenanntes "Negativzeugnis" nachgewiesen wird, daß der Hund nicht gefährlich ist (§ 2 Abs. 3 HundeVO).
Unzuverlässig im Sinne des Gesetzes sind im Wesentlichen Halterinnen und Halter, die strafrechtlich aufgefallen sind (§ 3 Nr. 1 HundeVO), wiederholt oder gröblich gegen einzelne Vorschriften der Hundeverordnung verstoßen haben, die minderjährig sind (§ 3 Nr. 3 HundeVO) oder psychisch krank oder rauschmittelabhängig sind (§ 3 Nr. 4 HundeVO).
Die Hundeverordnung stellt darüberhinaus Anforderungen an das Halten gefährlicher Hunde. Neben der ausbruchsicheren Unterbringung wird vor allem vorgeschrieben, daß außerhalb eingefriedeten Besitztums sowie in Treppenhäusern, in Fluren und auf Zuwegen von Mehrfamilienhäusern gefährliche Hunde anzuleinen sind und einen Maulkorb tragen müssen. Mehrere Hunde dürfen nicht gemeinsam gleichzeitig ausgeführt werden (§ 4 Abs. 1 HundeVO). Halter eines gefährlichen Hundes müssen den Zugang zu ihrem Besitztum oder ihrer Wohnung durch ein Warnschild mit der Aufschrift "Vorsicht, gefährlicher Hund" kenntlich machen ( § 4 Abs. 2 HundeVO).
Die Zucht mit gefährlichen Hunden ist nach § 5 Abs. 1 S. 2 HundeVO ebenso wie der gewerbsmäßige Handel mit gefährlichen Hunden generell verboten.
Die Hundeverordnung sieht ferner polizeirechtliche Instrumentarien für den Fall vor, daß die beantragte Erlaubnis nicht erteilt oder gegen Vorschriften der Hundeverordnung verstoßen wird. Die Verordnung schreibt zwingend die Untersagung des Haltens eines Hundes vor, wenn die nach § 2 erforderliche Erlaubnis "nicht vorliegt" oder der Hundehalter gegen die Vorschrift des § 4 HundeVO (insbesondere Maulkorb- und Leinenzwang) verstößt (§ 7 Abs. 1 HundeVO). Mit der Untersagungsverfügung kann eine Einziehung angeordnet werden (§ 7 Abs. 3 HundeVO). Die Einziehung des Hundes ist, anders als die Untersagungsverfügung, nicht zwingend geboten, sondern steht im Ermessen der Behörde. Im Ermessen der Behörde steht auch die Anordnung der Tötung eines Hundes, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Hund auch in Zukunft eine Gefahr für Leben und Gesundheit von Mensch oder Tier darstellt (§ 7 Abs. 4 HundeVO).
Die Verordnung ist am 19. Juli 2000 im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gemacht worden
und ist mangels einer anderen zeitlichen Bestimmung in der Verordnung nach Art. 54 HV am 20. Juli 2000 in Kraft getreten. Nach § 11 Abs. 2 der Hundeverordnung ist bis zum 28. November 2000 die Erlaubnis nach § 2 der HundeVO zu beantragen und die Voraussetzungen für die Erteilung dieser Erlaubnis nachzuweisen.
Vor Inkrafttreten der Hundeverordnung vom 28. Juni 2000 hatte der Senat bereits mit Verordnung zur Änderung der Hundeverordnung vom
14. März 2000 die alte Hundeverordnung modifiziert. Die rasseunabhängige Legaldefinition des gefährlichen Hundes wurde spezifiziert sowie dahingehend ergänzt, Hundehaltern künftig den Besuch einer Hundeschule aufgeben zu können.
Führende Politiker der Stadt haben ein scharfes Vorgehen in der Kampfhundekontroverse angekündigt.
II. Rechtsgutachten
(vgl. etwa Rehage, Hyperaggressivität beim Hund aus der Sicht des praktizierenden Tierarztes, Der Praktische Tierarzt 1992, 412; Wegner, Gutachten über "Kampfhunde", VETimpulse Ausgabe 5, 6. Jahrgang, Mai 1997)
Kaum wahrgenommen wird demgegenüber die Vielzahl unauffälliger Menschen, die diese Hunde als "Familienhunde" halten, weil sie u.a. deren menschen- und insbesondere kinderfreundliches Wesen schätzen.
(anders z.B. Stern 39, 21. September 2000, Seite 58f; L. Ames, Remember Petey and Nipper? You, Too, Can Own a Pit Bull, The New York Times, 03. Oktober 1999)
Unbestritten ist, daß von Hunden Gefahren und Belästigungen ausgehen. Die Bedeutung dieser Feststellung liegt auf der Hand, wenn man berücksichtigt, daß in Deutschland in 34 % aller privaten Haushalte ca. 5,1 Millionen Hunde gehalten werden.
(vgl. die Nachweise bei Schöning, Gefährliche Hunde, Übersicht über die Hundeverordnung der Bundesrepublik Deutschland und Hinweise zur Beurteilung von gefährlichen Hunden, Deutsches Tierärzteblatt 7 1999, 674)
Die zuständigen Gesetz- bzw. Verordnungsgeber haben auf den durch einzelne Vorfälle sowie durch mediale Aufmerksamkeit gewachsenen Problemdruck mit der hektischen
(kritisch dazu Wassermann, Gesetzgebungshektik, NJW 2000, 2560)
Schaffung sogenannter "Gefahrhundverordnungen" reagiert, die überwiegend auf Grundlage der Polizeigesetze ergangen sind.
(vgl. im Einzelnen: Rossi-Broy, gefährliche Hunde: Abgleich, Anwendung und Bewertung der Ländervorschriften, Deutsche tierärztliche Wochenschrift 107(2000), 94 ff; Schöning a.a.O. )
Im Zentrum der Kontroverse über die Hundeverordnung stehen hierbei an erster Stelle die sogenannten Rasselisten. Wie die Hamburger Hundeverordnung knüpfen auch zahlreiche andere Landesverordnungen bei der Gefährdungsbeurteilung an Rassemerkmalen an. Die Rechtmäßigkeit der Anknüpfung von Gefahrhundverordnungen an Rassemerkmalen soll deshalb an erster Stelle untersucht werden (2.).
Hiernach wird geprüft, ob das Regelungsgefüge der Hundeverordnung mit speziellen Grundrechten, insbesondere dem Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG), dem Grundrecht auf Eigentum in Art. 14 GG (3.) sowie dem in Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Einklang steht (4.).
Im Anschluß hieran wird die Frage aufgeworfen, ob die Möglichkeit einer Tötungsanordnung mit dem allgemeinen Polizeirecht sowie dem Tierschutzgesetz im Einklang steht (5.) sowie die weitere Frage, ob ein allgemeiner Leinen- und Maulkorbzwang mit dem Tierschutzrecht sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einklang steht (6.).
a) Rasselisten in der fachwissenschaftlichen Diskussion
Die Hamburger Hundeverordnung knüpft, wie eine Vielzahl anderer Landesverordnungen an Rassemerkmalen an. Die im Einzelnen in die Regelungen einbezogenen Rassekataloge variieren, weshalb in der Presse bereits von einem "grenzenlosen Wirrwarr" die Rede war.
Die Ankünpfung von Hundeverordnungen an Rassemerkmalen war von Anfang an außerordentlich umstritten. Eine Untersuchung von Vorfällen mit Hunden in Köln hat ergeben, daß sogenannte "Kampfhunde", für die, darauf wurde oben bereits hingewiesen, keine einheitliche Definition besteht, nur eine untergeordnete Rolle in Bezug auf die bekannt gewordenen Fälle spielen.
Die Staatsanwaltschaft von Dortmund leitete von 1988 bis 1999 234 Verfahren wegen Körperverletzung durch Hunde ein. Beteiligt waren daran 85 Schäferhunde (36,3 %), 53 Mischlinge (22,6 %), 18 Rottweiler (7,7 %), 9 Bullterrier (3,8 %), 3 Collies (1,3 %), 3 Jagdhunde (1,3 %) sowie 63 Hunde ohne Rassenangaben bzw. Rassen mit weniger als 3 Tieren (27,0 %).
Untersuchungen des Deutschen Städtetags haben die These von der angeblichen besonderen Gefährlichkeit der sogenannten "Kampfhunde" nicht bestätigt.
Die Studie, der repräsentativer Charakter bescheinigt wird,
belegt, daß die aktuelle Kampfhundediskussion auf einer ausgesprochen fragwürdige Tatsachenbasis geführt wird. Bei den auffällig gewordenen Hunderassen liegen die inkriminierten Rassen keinesfalls an Spitzenpositionen. Im Jahre 1998 äußerte sich der Innenminister des Landes Nordrhein-Westphalen zu dem Thema gefährliche Hunde aus polizeilicher Sicht und Erfahrungen mit der Gefahrhundeverordnung NRW wie folgt:
(Hartwig, Gefährliche Hunde aus polizeilicher Sicht und Erfahrung mit der Gefahrhundeverordnung NRW, Unser Rassehund 1998, Heft 9, Seite 10 / 11)
Auch der Hamburger Senat hat noch im März 2000 anlässlich der letzten Novelle der Hundeverordnung darauf hingewiesen, daß an den in den Jahren 1997 und 1989 festgestelltenVorfällen
"in erster Linie Mischlingshunde und Schäferhunde"
beteiligt waren und die
(Freie und Hansestadt Hamburg, Staatliche Pressestelle, Presseerklärung vom 14. März 2000, S. 5 f.)
Dementsprechend definierte die Hamburger Hundeverordnung in der Fassung vom 14. März 2000 (Hamburgsiches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 70) den Begriff "gefährlicher Hund" unabhängig von der Rassezugehörigkeit.
Die These von der besonderen Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen wird auch von der überwältigenden Mehrzahl der Fachleute entschieden abgelehnt. Ein Gutachten der Frau Dr. Helga Eichelberg (Zoologisches Institut der Universität Bonn) kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis:
(Eichelberg, Gutachten, in: Verband für das Deutsche Hundewesen e. V. [Hrsg.], "Kampfhunde"? Gefährliche Hunde?, Neue wissenschaftliche Gutachten, Seite 4 ff., 8)
Die Ethologin und Fachärztin für Verhaltenskunde (mit der Zusatzbezeichnung Tierschutzkunde) Frau Dorit Feddersen-Petersen vom Institut für Haustierkunde der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel, gelangt in ihrem Gutachten zu dem gleichen Ergebnis:
(Feddersen-Petersen, in: VDH [Hrsg.], a.a.O., Gutachten, 9 ff., 14 / 15)
Auch Prof. Unshelm vom Institut für Tierhygiene, Verhaltenskunde und Tierschutz der Ludwigs-Maximilians-Universität München plädiert mit vielen anderen Fachleuten eindeutig dafür, die Gefährlichkeit von Hunden rasseneutral zu bestimmen.
Auch aus tierärztlicher Sicht wird der Auffassung widersprochen, die Gefährlichkeit von Hunden sei anhand von Rassekriterien zu bestimmen. Die Hauptversammlung des 22. Deutschen Tierärztetages hat am 24. März 2000 in Würzburg angeregt, die Diskussion zu versachlichen. Unter anderem heißt es in der Entschließung:
Erläuterungen: Aus der Sicht der Ethologie gibt es keine Kampfhunderassen oder gefährliche Rassen. Es ist weniger das genetische Potential als das gesamte soziale Umfeld, das Hunde gefährlich werden läßt. Rassekataloge, die Hunde mit gesteigerter Gefährlichkeit auflisten, entbehren daher wissenschaftlicher Basis, sind irreführend und dienen keineswegs der Behebung bestehender Probleme."
(BTK-Bundestierärztekammer, Entschließung der Hauptversammlung des 22. Deutschen Tierärztetages am 24. März 2000 in Würzburg)
Auch der Bundesverband praktischer Tierärzte e. V. ist dem rassespezifischen Ansatz der Kampfhunde-Eilverordnungen entgegengetreten.
Schließlich ist noch auf ausländische Erfahrungen hinzuweisen. Der anerkannte britische Fachgutachter und Veterinärmediziner Trevor Turner hat die Wirkungsweise des "Dangerous Dogs Act von 1991" wie folgt kritisiert:
b) Der Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG
Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wesentlich Gleiches willkürlich ungleich oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln.
Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung ist bei dieser Lehrbuchformel nicht stehengeblieben. Die traditionelle "Willkür-Rechtsprechung" des Bundesverfassungsgerichts wurde später dahin präzisiert, daß eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vorliegen soll,
(BVerfGE 55, 72, 88; 82, 60, 86; 95, 39, 45)
Eine rechtliche Unterscheidung muß nach dieser Rechtsprechung in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden.
Die "modernere" Formel der jüngeren Rechtsprechung beinhaltet im Vergleich mit der traditionellen Willkürprüfung eine gesteigerte Kontrolldichte durch einen inhaltlich klareren Maßstab.
Auch die Kommentarliteratur hat diese Wende nachvollzogen und verlangt für eine Ungleichbehandlung nicht mehr lediglich irgendeinen sachlichen, einleuchtenden Grund, sondern verlangt eine Gewichtung, die darlegen muß, daß die tatsächlichen Unterschiede die Ungleichbehandlung rechtfertigen können.
Es liegt in der Logik einer solchen Verschärfung des Prüfungsmaßstabes, daß Aspekte der Verhältnismäßigkeit integriert werden müssen.
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich deshalb je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen können.
Einer besonders strengen Kontrolle soll der Gesetzgeber dann unterliegen, wenn Personengruppen ungleich behandelt werden. Erfolgt die Differenzierung nach personenbezogenen Merkmalen, besteht für den Gesetzgeber stets eine strenge Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Größer soll der Spielraum des Gesetzgebers sein, wenn lediglich Sachverhaltsgruppen ungleich behandelt werden. Hier soll dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zustehen.
Streng ist der Prüfungsmaßstab auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung Auswirkung auf grundrechtlich gesicherte Freiheiten hat.
Das Prüfprogramm, welches vorliegend auf dem Hintergrund der gegenwärtigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes erfolgt, läßt sich anhand des Vergleichs zweier Sachverhalte
wie folgt strukturieren:
c) Anwendung auf die Hamburgische HundeVO
Legt man vorstehende Kriterien zugrunde, ist bezüglich der Hamburger Hundeverordnung von Folgendem auszugehen:
aa) Vergleichsgruppen
Als Vergleichsgruppen sind hier zu betrachten Hundehalter, die Kategorie I oder Kategorie II Hunde halten sowie sonstige Hundehalter. Es ist zu fragen, ob die Ungleichbehandlung vorliegend an Personengruppen oder an Sachverhaltsgruppen anknüpft.
Prima facie knüpft die vorliegende Ungleichbehandlung an Sachverhaltselementen an, nämlich der Haltung bestimmter Hunderassen. Es ist jedoch offenkundig, daß die vorgenommene Anknüpfung aufgrund sachverhaltsbezogener Merkmale eine mittelbare Ungleichbehandlung von Personengruppen mit erheblicher Intensität zur Folge hat. Lediglich die Halter von Hunden bestimmter Rassen sind verpflichtet, eine Erlaubnis für die Hundehaltung zu beantragen, ihre Hunde unterliegen einem Leinen- und Maulkorbzwang, einer strengen Kennzeichnungspflicht, einem Warnschildgebot, einer Kastrations- bzw. Sterilisationspflicht sowie einem allgemeinen Zucht- und Handelsverbot. Darüberhinaus bewirkt die sachverhaltsbezogene "Diskriminierung" eine unmittelbare, personenbezogene Ungleichbehandlung der Halter der inkriminierten Rassen, weil nur diesen eine Sachkundeprüfung sowie eine Zuverlässigkeitsprüfung abverlangt wird.
Welcher Prüfungsmaßstab anzuwenden ist, wenn der Gesetzgeber nach sachverhaltsbezogenen Merkmalen differenziert, eine solche Differenzierung jedoch eine mittelbare Ungleichbehandlung von Personen zur Folge hat, ist auf dem Hintergrund der bereits mehrfach in Bezug genommenen Krankenkassenentscheidung zunächst nicht eindeutig zu beantworten. Nach dieser Entscheidung soll weder eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit geboten, noch eine bloße Willkürkontrolle ausreichend sein.
In neueren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht jedoch klargestellt, daß auch bei einer mittelbaren Ungleichbehandlung von Personen die Anwendung eines strengen Prüfungsmaßstabes geboten ist.
In einer Entscheidung vom 02. März 1999 hat das Verfassungsgericht ausgesprochen, daß die engere Bindung nicht nur auf personenbezogene Differenzierung beschränkt ist:
(BVerfGE 99, 367, 388)
Schließlich ist auch festzustellen, daß die hier vorgenommene Anknüpfung der Ungleichbehandlung Auswirkungen auf Freiheitsrechte hat. Wie nachstehend aufzuzeigen sein wird, berühren die angesprochenen Regelungen auch den Freiheitsbereich weiterer Grundrechte, nämlich Art. 14, Art. 12 sowie Art. 2 GG. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hat es ausreichen lassen, daß sich eine Regelung in einem grundrechtlich geschützten Freiheitsbereich auswirken "kann" und hieraus bereits die Konsequenz gezogen, daß der Gesetzgeber nicht lediglich durch ein Willkürverbot eingeschränkt ist.
Es ist deshalb festzustellen, daß die vorliegend vorgenommene Differenzierung Auswirkungen auf Freiheitsrechte der Hundehalter hat.
bb) Rechtfertigungsebene
Bei der Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung ist, darauf wurde oben bereits hingewiesen, von einem strengen Prüfungsmaßstab auszugehen. Es ist mithin zu fragen, ob für die Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorliegen, daß die ungleichen Rechtsfolgen akzeptiert werden können.
Zur Begründung der ungleichen Behandlung der im einzelnen spezifiziert aufgeführten Hunderassen wird prinzipiell die besondere Gefährlichkeit der näher aufgeführten Hunderassen herangezogen. Wie bereits vorstehend ausgeführt wurde, kann und soll nicht in Abrede gestellt werden, daß von Hunden erhebliche Gefahren ausgehen können. Zutreffend wurde generell bezüglich von Hundeverhalten festgestellt, daß es sich um "modifiziertes Wolfsverhalten von beachtlicher Variabilität" handelt.
Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber zur Regelung einer abstrakten Gefahr die Hundehaltung an eine Erlaubnispflicht knüpft.
Wenn er solche Regelungen schafft, muß er jedoch in der Lage sein, im Einzelnen Gründe dafür anzugeben, weshalb andere, ebenso abstrakt gefährliche Hunderassen nicht ebenfalls in die Regelung einbezogen werden. Solche Gründe sind weder aus fachwissenschaftlicher Sicht noch sonst ersichtlich. Empirisches Material gibt für die angegriffene Regelung nichts her.
Im Gegenteil, weitaus häufiger sind Beißereignisse mit in Deutschland typischen Gebrauchshunden, wie beispielsweise dem Deutschen Schäferhund, dem Rottweiler sowie Mischlingen assoziiert. Auch die These von der angeblich erhöhten Beißkraft der inkriminierten Rassen wird von Fachleuten nicht geteilt.
Ein besonderer Regelungsbedarf für die im einzelnen aufgeführten Hunderassen ist deshalb nicht ersichtlich.
Insbesondere kann auch nicht der Auffassung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes in seinem Urteil vom 12.Oktober 1994
gefolgt werden. Das Urteil leidet unter einer unpräzisen Bestimmung des Prüfungsmaßstabes. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird überbetont und hierdurch die Prüfungsdichte unzulässig verkürzt. Lediglich wenn die äußersten Grenzen des normativen Ermessens überschritten seien, wenn für die getroffene Regelung jeder sachliche Grund fehlt, soll der Gleichheitssatz verletzt sein. Unter Rekurs auf die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers sowie den geltenden Opportunitätsgrundsatz im Recht der Gefahrenabwehr sei der Gesetzgeber berechtigt, seine eigene Gefahreneinschätzung zur Grundlage einer Regelung zu machen.
Den Hinweis auf andere Hunderassen, wie etwa Doggen, Dobermänner, Rottweiler, Boxer oder insbesondere den Deutschen Schäferhund, die auch nach Auffassung des Bayerischen Verfassungsgerichtes "möglicherweise ebenso gefährlich" sind, verwirft der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit dem interessanten Argument, bei diesen Hunderassen handele es sich um in Deutschland seit jeher gezüchtete und gehaltene Hunde, die in der Allgemeinheit dementsprechend eine höhere Akzeptanz genössen. Aufgrund ihrer langen Verwendung als Gebrauchs- und Schutzhunde sei der Verordnungsgeber ohne Verfassungsverstoß zur Ungleichbehandlung berechtigt, auch wenn diese Hunde möglicherweise eine ähnliche Aggressivität und Gefährlichkeit aufwiesen, wie die inkriminierten Rassen.
Gegen diese Argumentation bestehen durchgreifende Bedenken. Der Verfassungsgerichtshof berücksichtigt nicht hinreichend, daß an die Einstufung eines Tieres als "Kampfhund" erhebliche Rechtsfolgen, bis hin zur Tötung von Tieren, geknüpft werden, die die Halter mittelbar diskriminieren. Die "Kampfhundeliste" ist für die betroffenen Halter mit Eingriffen in ihre grundrechtlich geschützte Sphäre verbunden. Die Rechtsprüfung kann sich deshalb vorliegend nicht auf eine bloße Willkürkontrolle reduzieren.
Die Entscheidung weist darüber hinaus schwere Argumentationsmängel auf. Es ist unschlüssig, wenn der Verfassungsgerichtshof zum Einen ausführt, im Recht der Gefahrenabwehr sei die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers im Hinblick auf den Schutzzweck der Regelung besonders groß, letztendlich jedoch einen Aspekt als Differenzierungskriterium ausreichen läßt (höhere Akzeptanz von traditionellen deutschen Gebrauchshunden), der mit Grundsätzen der Gefahrenabwehr nichts zu tun hat.
Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hat immer herausgestellt, daß es einen inneren Zusammenhang zwischen der vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung geben muß.
Die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes ist auf dem Hintergrund dieser und anderer Ungereimtheiten isoliert geblieben. Der VGH Mannheim hat erstmalig im Jahre 1992 eine Polizeiverordnung für teilnichtig erklärt, weil es der Verordnungsgeber unterlassen hat, ohne erkennbaren sachlichen Grund Hunde anderer Rassen in die Aufzählung des § 1 der Polizeiverordnung mitaufzunehmen, deren Einbeziehung sich jedoch aufgrund vergleichbarer Größe und Kraft mit den dort genannten Hunden und wegen der statistisch erwiesenen Häufigkeit ihrer Beteiligungen an Beißzwischenfällen aufdrängte.
Dieser Auffassung des VGH Mannheim sind das OVG Bremen
sowie das OVG Saarlouis
gefolgt.
Auch die Hamburgische Rechtsprechung ist in der Vergangenheit dieser Auffassung gefolgt und hat die Nennung von Rassen in der damaligen Kampfhundeverordnung vom 4. Juni 1991 für verfassungswidrig erklärt.
In einer lesenswerten Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim seine Rechtsprechung kürzlich eindrucksvoll bestätigt.
In dieser Entscheidung setzt sich der VGH Mannheim auch mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes auseinander und urteilt wie folgt:
Der Senat kann sich der Ansicht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes auch nicht anschließen, soweit dieser als sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung den Umstand wertet, daß die als ebenso gefährlich anzusehenden, jedoch in den Katalog nicht aufgenommenen Hunderassen, wie die Deutsche Dogge, der Dobermann, der Rottweiler, der Boxer oder der Deutsche Schäferhund in Deutschland traditionell gezüchtet und gehalten werden, von daher in der Öffentlichkeit eine höhere Akzeptanz genießen und mehr oder minder zu Gebrauchshunden für vielerlei Zwecke verwendet werden. Dieser Umstand mag zwar Befreiungs- und Ausnahmeregelungen rechtfertigen, wie sie für Gebrauchshunde auch in der Verordnung der Antragsgegnerin vorgesehen sind, nicht aber eine normative Regelung, mit der bestimmte Rassen abstrakt und kategorisch als gefährlich eingestuft werden."
In der juristischen Fachliteratur werden die Rasselisten ebenfalls überwiegend abgelehnt.
Die Ungleichbehandlung kann auch nicht unter Rekurs auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht zum Hundesteuerrecht gerechtfertigt werden.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Januar 2000
im vorliegenden Kontext nur eingeschränkte präjudizielle Bedeutung zukommt. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist bei der Ausgestaltung von Steuertatbeständen wesentlich stärker durch Grundsätze der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität geprägt.
Dies gilt auch dann, wenn eine Steuererhebung zugleich Lenkungszwecke verfolgt.
Die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers ist deshalb im Steuerrecht allgemein anerkannt. Auf dieser Linie stellt das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung heraus, daß der Gestaltungsspielraum im Steuerrecht nicht in erster Linie oder gar ausschließlich einem im engeren Sinne "polizeilichen" Zweck der aktuellen und konkreten Gefahrenabwehr verfolge. Das Lenkungsziel bestehe vielmehr darin, ganz generell und langfristig die Haltung bestimmter Hunde zurückzudrängen.
Unabhängig von diesen Erwägungen ist allerdings anzumerken, daß die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sowie ähnlich begründete hundesteuerrechtliche Entscheidungen anderer Obergerichte
inhaltlich nicht zu überzeugen vermag.
Die markige These, bei den inkriminierten Hunden sei eine Zuchtauswahl getroffen worden, die besondere Angriffsbereitschaft, Beschädigungswillen ohne Hemmung und herabgesetzte Empfindlichkeit gegen Angriffe des Gegners fördern sollte, wird aus fachwissenschaftlicher Sicht nicht geteilt. Das Bundesverwaltungsgericht hat leider die in Bezug genommenen Stellungnahmen von Frau Dr. Helga Eichelberg sowie Prof. Unshelm nur sehr selektiv rezipiert. Frau Dr. Eichelberg hat auf diesen Sachverhalt jüngst in einem Schreiben an den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts hingewiesen.
Beide Autoren haben sich klar und eindeutig gegen "Rasselisten" ausgesprochen. Die Behauptung, die aufgezählten Hunderassen stellten ein Potenzial zur Erzeugung des gefährlichen Hundes dar, kann nicht aufrechterhalten werden. Rassespezifische Merkmale spielen bei der Aggressionsneigung nur eine untergeordnete Rolle.
Unakzeptabel ist auch die Rezeption der Auffassung des Bayrischen Verfassungsgerichtshofs, wonach die Privilegierung anderer gefährlicher Hunde sachgerecht sei, weil diese sogenannten Wach- und Gebrauchshunde in der Bevölkerung Akzeptanz genössen. Es mutet absurd an, wenn im Rahmen einer Gleichheitsprüfung ein "positives Vorurteil"
tauglicher Anknüpfungspunkt für eine steuerliche Diskriminierung sein soll.
Die Entscheidung dürfte im übrigen auch nicht mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im Einklang stehen, wonach die gesetzlichen Auswirkungen nicht weiter greifen dürfen als der die Verschiedenbehandlung legitimierende Zweck es rechtfertigt.
d) Zwischenergebnis
Zusammenfassend ist festzustellen, daß auch unter Berücksichtigung der Rechtsetzungsprärogative des Verordnungsgebers Gründe für die Ungleichbehandlung der Hundehalter, deren Hunde der Kategorie I oder II unterfallen, nicht ersichtlich sind. Es sind keine Unterschiede von derartigem Gewicht ersichtlich, die es rechtfertigen würden, die in den Rasselisten aufgeführten Hunde generell einer Erlaubnispflicht sowie weiteren Ge- und Verboten mit weitreichenden Folgen für Hund und Halter zu unterwerfen. Die Ungleichbehandlung verstößt deshalb gegen den Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG.
3. Vereinbarkeit mit Art. 14 GG
(BVerfGE 24, 367, 389)
Trotz erheblicher Zweifel an der Sachgerechtigkeit einer Regelung, die Tiere weiterhin primär als "Sachen" definiert
(kritisch dazu: Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft, 1999),
kann kein Zweifel daran bestehen, daß Hunde als Sachen eigentumsfähig sind.
In den Regelungen der Hundeverordnung, insbesondere der Haltungsuntersagung, der Einziehung sowie der möglichen Tötungsanordnung kann deshalb eine Eigentumsbeeinträchtigung liegen.
(ganz herrschende Meinung, vgl. jüngst wieder Papier, Die Weiterentwicklung der Rechtsprechung zur Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, DVBl 2000, 1398 ff.)
Bevor in die Prüfung eingestiegen werden soll, ist vorab darauf hinzuweisen, daß nach inzwischen gefestigter verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung eine Enteignung nur dann vorliegen kann, wenn ein konkreter staatlicher Zugriff auf eine durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentumsposition aus Gemeinwohlgründen vorliegt.
(BVerfGE 52, 1, 27)
Die Enteignung hat zwar nicht ausschließlich
(BVerfGE 83, 201, 211)
aber doch primär den Charakter eines "Güterbeschaffungsvorgangs".
(vgl. von Münch/Kunig/Bryde, Grundgesetzkommentar, 2000, Art. 14, Rn. 53; Maunz/Dürig/Papier, Grundgesetz, Art. 14, 345; Roller, Die Vereinbarkeit der nachträglichen Befristung atomrechtlicher Genehmigungen mit Art. 14 GG, ZuR 1999, 244)
Die Vorstellung, das Vorliegen eines Eigentumseingriffs bemesse sich nach der Intensität, der Schwere des Eingriffs (sog. Schwellentheorie) ist nach dieser neueren Rechtsprechung überholt. Entscheidend ist ausschließlich der formale, zielgerichtete Zugriff auf das Eigentum für einen Gemeinwohlzweck.
(vgl. Papier, a.a.O.)
Bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung wird hingegen der "Inhalt" des Eigentumsrechts bestimmt. Die Regelung setzt abstrakt allgemein an und läßt die Eigentumsordnung prinzipiell unberührt.
(Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998, 155)
Daß derartige Neubestimmungen des Inhalts der Eigentumsrechte sehr weitreichende Konsequenzen haben, ist spätetestens seit der Naßauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts Allgemeingut.
(BVerfGE 58, 300 ff.)
In seiner Grundsatzentscheidung zum bergrechtlichen Vorkaufsrecht hat das Bundesverfassungsgericht herausgestellt, daß der Gesetzgeber im Zuge der generellen Neugestaltung eines Rechtsgebietes bestehende Rechte abschaffen kann, ohne daß eine solche abstrakt generelle Regelung als Enteignung qualifiziert werden müßte.
(BVerfGE 83, 201, 211 ff.)
Mit der Einordnung einer Gesetzgebung als "Inhalts- und Schrankenbestimmung" ist jedoch prinzipiell noch nichts Abschließendes über die Verfassungsmäßigkeit einer derartigen Regelung ausgesagt. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, daß Inhalts- und Schrankenbestimmungen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterliegen
(BVerfGE 83, 201, 212)
und unter Umständen auch einen Ausgleich in Form von Übergangsfristen oder in Form von Ausgleichszahlungen erfordern können.
(BVerfGE 58, 300, 350 ff; 83, 213)
aa) Einführung einer Erlaubnispflicht
Die Einführung einer Erlaubnispflicht, der angeordnete Maulkorbzwang, das Kastrations- bzw. Sterilisierungsgebot sowie das Handelsverbot beinhalten keinen Entzug des Eigentums. Sie sind deshalb ersichtlich als Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu beurteilen. Unter dem Gesichtspunkt von Art. 14 Abs. 1 GG unterliegen diese Vorschriften deshalb lediglich einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.
bb) Untersagung, Einziehung und Tötung von Tieren
Etwas anderes könnte für § 7 Abs. 2, § 7 Abs. 3 sowie § 7 Abs. 4 der Hundeverordnung gelten. Diese Vorschriften eröffnen die Möglichkeit, die Haltung eines Hundes zu untersagen, die Einziehung sowie die Tötung eines Hundes anzuordnen. Die Vorschriften ermöglichen mit anderen Worten den endgültigen Entzug des Sacheigentums. Es ist deshalb zu prüfen, ob die in § 7 Abs. 2 , 3 und 4 HundeVO vorgesehenen Verwaltungsmaßnahmen als Inhalts- und Schrankenbestimmung oder als Enteignung zu qualifizieren sind.
Auf den ersten Blick scheint bei § 7 Abs. 3 sowie § 7 Abs. 4 HundVO die Annahme eines gezielten Eigentumsentzuges naheliegend. Bei genauerem Hinsehen läßt sich jedoch hieran zweifeln. Der Zugriff auf das Tier erfolgt nämlich nicht in zweckgerichteter Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe. Der Zugriff erfolgt nach eigenem Selbstverständnis des Verordnungsgebers aus Gründen der Gefahrenabwehr.
Es entspricht vorherrschender Auffassung, daß selbst die vollständige Zerstörung des Eigentums aus Gründen der Gefahrenabwehr nicht als Enteignung zu qualifizieren ist.
(vgl. Roller, a.a.O.; Klindt, Der geschäftsmäßige Handel mit "Kampfhunden" ..., NJW 2000, 2563, 2564)
Rettungskräfte dürften Türen einschlagen, wenn dies zum Zweck der Gefahrenabwehr erforderlich ist. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, daß die Tötung von Hunden, bei denen anzunehmen ist, daß sie mit tollwutkranken Tieren nur in Berührung gelangt sind, nicht als Enteignung, sondern als Inhalts- und Schrankenbestimmung anzusehen ist.
(BVerfGE 20, 351, 359)
Trotz der erheblichen Eingriffsintensität ist deshalb davon auszugehen, daß sämtliche Vorschriften der Hundeverordnung wegen ihrer Zwecksetzung nicht als Enteignung, sondern als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums anzusehen sind.
"könnte nur dann Bestand haben, wenn es durch Gründe i.S.d. Art. 14 Abs. 2 unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt wäre. Solche Gründe liegen nicht vor." (BVerfGE 52, 1, 30)
Das Regelungsgefüge der Hamburgischen Hundeverordnung ist demgemäß daraufhin zu untersuchen, ob eine verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung erfolgt ist. Hieran bestehen erhebliche Zweifel.
Allerdings dürften die Bestimmungen der Hundeverordnung, soweit sie sich auf Kategorie II Hunde beziehen, noch als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung angesehen werden können. Zwar ist nicht zu verkennen, daß auch diese Regelung mit erheblichen Belastungen für die Halter verbunden sind. Wie ausgeführt wurde, darf der Gesetzgeber aber aus Gründen der Gefahrenabwehr die Hundehaltung an Voraussetzungen binden, die geeignet sind, Gefahren von Dritten abzuwenden. Die Zuverlässigkeitsprüfung, der Sachkundenachweis, der Besuch einer Hundeschule, die Kennzeichnungspflicht sowie die Hundehaftpflicht sind prinzipiell geeignet, den angestrebten Zwecken der Gefahrenabwehr zu dienen. Sie dürften auch den übrigen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips genügen. Die Ausgestaltung einer widerleglichen Gefahrenvermutung ist zwar unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes auch für diese Halter verfassungsrechtlich zu beanstanden. Unter dem Gesichtspunkt von Art. 14 Abs. 1 GG wirft diese Konstruktion der Hundeverordnung aber keine Probleme auf.
Etwas anderes gilt jedoch für die Regelungen der Hundeverordnung, soweit sie sich auf Hunde der Kategorie I beziehen. Bezüglich dieser Hunde hat der Verordnungsgeber eine "unwiderlegliche Vermutung" normiert. Den Haltern der Kategorie I Hunde bleibt keine Möglichkeit, durch Vorlage eines Negativzeugnisses oder durch Ablegung des Wesentestes den Nachweis zu führen, daß ihr Hund ungefährlich ist. Während die Vorlage des sog. Negativzeugnisses bei den Kategorie II Hunden zur Freistellung von der Erlaubnispflicht führt, bleibt die Erlaubnispflicht auch bei ungefährlichen Kategorie I Hunden bestehen. Die Haltung von Hunden ist unabhängig von ihrer konkreten Gefährlichkeit nur noch auf Grundlage eines berechtigten Interesses möglich, wobei Hamburger Politiker bereits angekündigt haben, daß ein solches berechtigtes Interesse in aller Regel nicht angenommen werden könne.
Hinzu kommt, daß bei Kategorie I Hunden zwingend im Falle der Ablehnung der beantragten Erlaubnis eine Untersagungsverfügung ergehen muß. Zwar steht die Einziehung des Hundes im Ermessen der Verwaltung. Die Einziehung dürfte aber ebenfalls vorprogrammiert sein, wenn sich der Hundehalter nach Ergehen der Untersagungsverfügung nicht freiwillig von dem Tier trennt.
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird auch in seiner eigentumsrechtlichen Ausprägung anhand der Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit i.e.S. geprüft.
(vgl. im einzelnen von Münch/Kunig-Bryde, Grundgesetzkommentar, Band 1, 5. Aufl., 2000, Art. 14, 63)
Es bestehen bereits Bedenken gegen die Geeignetheit der Regelung. Vielfach wird zutreffend argumentiert, daß rigorose Verbote lediglich die Hundehaltung in den Untergrund verdrängen und problematische Halterkreise sich auf andere Hunderassen besinnen, die sie dann wiederum für aggressive Zwecke missbrauchen.
(vgl. etwa Bündnis 90, Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, Pressedienst, 18. Mai 2000, "Nach Kampfhundeverbot mehr Bisse!")
Die Rechtsprechung legt bei der Prüfung der Frage, ob eine Regelung geeignet ist, allerdings enge Grenzen zugrunde. Zu prüfen ist lediglich, ob eine Maßnahme, gemessen an der Zielsetzung, geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen, wobei ein gewisser Prognosespielraum des Gesetzgebers zu beachten ist.
(vgl. etwa Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 1996, Art. 20, Rn. 98 f, Maunz/Düring-Herzog, Art. 20, VII., Rn. 51 ff.)
Fraglich ist jedoch, ob die Regelung der Hundeverordnung bezüglich der Kategorie I Hunde dem Erforderlichkeitsgebot entspricht. Das Erforderlichkeitsprinzip verlangt, daß zur Erreichung des angestrebten Erfolges das mildeste Mittel gleicher Wirksamkeit eingesetzt werden muß. Maßgebend sind hierbei die Eigenart der betroffenen Positionen, die Intensität ihrer Verkürzung sowie die Zahl der Betroffenen.
(vgl. wiederum Sachs, a.a.O., Rnd. 100, m.w.N.).
Im vorliegenden Fall bestehen insbesondere deshalb erhebliche Bedenken an der Erforderlichkeit der getroffenen Regelung, weil durch die Konstruktion einer unwiderleglichen Vermutung den Hundehaltern der Kategorie I Hunde die Möglichkeit genommen wird, den Nachweis der Ungefährlichkeit ihres Tieres zu führen. Durch eine entsprechende Nachweisführung könnte ein gleich wirksamer Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bewirkt werden. Die negativen Effekte einer radikalen Illegalisierung würden vermieden.
Es sind keine plausiblen Gründe ersichtlich, weshalb die Möglichkeit eines Negativzeugnisses als milderes Mittel zur Gefahrenabwehr nicht auch bezüglich Kategorie I Hunde zugelassen wurde. In einer bemerkenswerten Entscheidung hat der Hessische VGH deshalb zu Recht die Erforderlichkeit einer vergleichbaren Hessischen Regelung mit der Begründung in Zweifel gezogen, es spräche einiges dafür, daß auch eine durch eine positiv verlaufende Wesensprüfung widerlegbare Vermutung der Gefährlichkeit genügen würde, eine zur Gefahrenabwehr ausreichende Überwachung zu gewährleisten.
(vgl. HessVGH, Beschluß vom 15. September 2000, 11 NG 2500/00)
Der vorstehenden Argumentation kann nicht entgegengehalten werden, daß die Statuierung einer lediglich widerleglichen Vermutung, wie sie für Kategorie II Hunde vorgesehen ist, möglicherweise nicht gleich wirksam ist, wie eine unwiderlegliche Vermutung. Zum einen ist nicht ersichtlich, daß die Kategorie I Hunde eine signifikant gesteigerte Gefährlichkeit gegenüber anderen Hunden aufweisen. Zum anderen entspricht es aber auch ganz herrschender Meinung, daß die Wirksamkeit einer Alternativmaßnahme sowie die Beeinträchtigungsintensität zusammenfassend bei der Beurteilung der Erforderlichkeit zu bewerten sind.
(zutreffend Sachs, a.a.O., Art. 20, Rn. 101)
Es ist unzutreffend, wenn zum Teil die Auffassung vertreten wird, ein weniger wirksames Mittel brauche schlechthin nicht berücksichtigt zu werden.
(so z.B. Gentz, NJW 1968, 1604)
Wird der Aspekt der Eingriffsintensität berücksichtigt, sind keine belastenden Argumente ersichtlich, die die Statuierung einer unwiderleglichen Vermutung hinsichtlich der Kategorie 1 Hunde rechtfertigen könnten.
Schließlich bestehen auch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit der angegriffenen Regelung. Wie vorstehend bereits ausgeführt wird, steuert das Reglement bezüglich der Kategorie I Hunde prinzipiell auf deren Einziehung zu. Zu einem Hund, der als Begleiter und Familienmitglied gehalten wird entwickeln sich aber starke emotionale Beziehungen. Ein solches Tier aus der Familie herauszureißen, stellt nicht nur für das Tier eine schwere Belastung dar, sondern auch einen schweren Eingriff in das familiäre Gefüge. Zutreffend wird in der Literatur ausgeführt, daß nicht nur Tiere Menschen brauchen, sondern auch Menschen Tiere.
(vgl. Olbrich, Menschen brauchen Tiere Tiere brauchen Menschen, Unser Rassehund, Heft 11, 1998, 116 ff.)
Prof. Olbrich vom Psychologischen Institut der Universität Erlangen beschreibt eindrucksvoll, daß das Zusammenleben mit Tieren Menschen helfen kann, sich in ihrer Authentizität zu entwickeln. Es ist deshalb davon auszugehen, daß der für Kategorie I Hunde vorgesehenen Regelung gesteigerte Eingriffsintensität zukommt, die in einer Gesamtbewertung nicht mehr als angemessen angesehen werden kann und deshalb für die Betroffenen nicht zumutbar ist.
Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Regeln der Hundeverordnung, soweit sie sich auf Kategorie I Hunde beziehen, gegen Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen, weil die Statuierung einer unwiderleglichen Gefährdungsvermutung in der Zusammenschau mit den daran geknüpften Rechtsfolgen eine unverhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellt.
4. Verletzung von Art. 12 und Art. 2 GG durch Zucht- und
Handelsverbot sowie Warnschildgebot
a) Vereinbarung des Zucht- und Handelsverbots mit Art. 12 GG
Einer Verletzung der Berufsfreiheit in Art. 12 GG kommt lediglich für berufsmäßige Züchter und Händler hinsichtlich des Zuchtverbotes sowie des allgemeinen Handelsverbotes in § 5 Abs. 1 Satz 2 sowie § 5 Abs. 2 HundeVO in Betracht.
Art. 12 GG schützt die Berufsfreiheit auf der Ebene der Berufswahl sowie der Berufsausübung. Das generelle Zuchtverbot sowie das Verbot des gewerbsmäßigen Handelns stellt nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung eine Berufsausübungsregel dar, die nach der seit dem Apothekenurteil maßgeblichen 3-Stufen-Theorie
ebenfalls primär am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu überprüfen ist.
Die Verhältnismäßigkeit des allgemeinen Zucht- sowie Handelsverbots ist mit der gleichen Begründung, die vorstehend für die Verletzung des Eigentumsrechts dargelegt worden ist, für die Kategorie I Hunde zu verneinen. Auch hinsichtlich der Zucht sowie des Handels mit diesen Tieren ist nicht nachvollziehbar, weshalb eine durch eine positiv verlaufene Wesensprüfung widerlegbare Vermutung der Gefährlichkeit nicht ausreichen soll, um eine zur Gefahrenabwehr ausreichende Überwachung zu gewährleisten. Darüber hinaus dürfte das allgemeine Handels- und Zuchtverbot an kompetenziellen Schranken scheitern. Der Bundesgesetzgeber hat die Zucht sowie den gewerbsmäßigen Handel in § 11 Tierschutzgesetz abschließend geregelt. Eine Gesetzgebungszuständigkeit der Länder besteht nur dann, wenn der Bund von seiner vorrangigen Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß gegen ein allgemeines Handelsverbot auch europarechtliche Bedenken bestehen, soweit grenzüberschreitender Handel im Bereich der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft tangiert ist. Die Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit
ist nur unter den engen Voraussetzungen des "ordre public" Vorbehalts (Art. 30) möglich.
Die Voraussetzungen für die Mobilisierung des "ordre public" Vorbehalts im vorliegenden Zusammenhang erscheint auf dem Hintergrund der vorliegenden fachwissenschaftlichen Erkenntnisse ausgeschlossen.
b) Vereinbarkeit des Warnschildgebots mit Art. 2 GG
Art. 2 GG schützt neben der allgemeinen Handlungsfreiheit, die grundsätzlich gegenüber speziellen Grundrechten wie Art. 14 GG sowie Art. 12 GG zurücktritt, auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Bestandteil dieses Rechts ist auch das Recht auf "informationelle Selbstbestimmung", welches seit dem Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983
zum gesicherten Bestand der Verfassungsdogmatik zählt. Nach richtiger Auffassung schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnisse des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber entscheiden zu dürfen, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Lebenssachverhalte offenbaren will.
Das Recht ist keinesfalls, wie vielfach angenommen wird, auf die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten und auf die jeweiligen Anwendungsbereiche der Datenschutzgesetze des Bundes oder der Länder reduziert. Das hat das Bundesverfassungsgericht klar herausgestellt.
Das Warnschildgebot zwingt Hundehalter dazu, sich in der Öffentlichkeit als Halter eines "gefährlichen Hundes" zu "outen". Die Wirkung einer solchen Bekanntgabe in der Öffentlichkeit darf auf dem Hintergrund der gegenwärtigen öffentlichen Stimmung nicht unterschätzt werden. Durch die erzwungene Bekanntgabe dieser sensiblen Information wird unzweifelhaft das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berührt.
Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in ständiger Rechtsprechung herausgestellt, daß das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht schrankenlos gewährleistet ist. Der Einzelne muß Einschränkungen dieses Rechts im überwiegenden allgemeinen Interesse hinnehmen. Beschränkungen bedürfen nach Art. 2 Abs. 1 GG einer gesetzlichen Grundlage und müssen darüber hinaus dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügen.
Grundrechtsbeschränkungen müssen durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein, das gewählte Mittel muß zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich sein und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe sind die Grenzen des Zumutbaren zu wahren.
Vorliegend ist bereits fraglich, ob das Recht auf informationelle Selbstbestimmung überhaupt auf Grundlage einer Polizeiverordnung eingeschränkt werden kann. Überwiegend wird die Auffassung vertreten, daß es für die Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich einer formellen gesetzlichen Grundlage bedarf.
Stellt man diese Bedenken zurück, ergibt sich folgendes: Soweit die Gefährlichkeit eines Hundes konkret feststeht, unterliegt ein Warnschildgebot keinen rechtlichen Bedenken. Etwas anderes hat jedoch dann zu gelten, wenn die Ungefährlichkeit eines Hundes belegt ist. Wie bereits vorstehend ausgeführt wurde, verletzt das Regelungsgefüge der Hundeverordnung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil die Gefährlichkeitsvermutung für die Kategorie I Hunde unwiderleglich ausgestaltet worden ist. Steht jedoch die Ungefährlichkeit eines Kategorie I Hundes fest, etwa weil das Tier einen Wesenstest abgelegt hat, kann das "unwiderufliche" Warnschildgebot nicht mehr als verhältnismäßig angesehen werden. Das Warnschildgebot verletzt deshalb im vorbezeichneten Umfang das in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Nach § 7 Abs. 4 der Hundeverordnung kann die zuständige Behörde die Tötung eines Tieres anordnen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Hund auch in Zukunft eine Gefahr für Leben und Gesundheit von Mensch oder Tier darstellt. Die Anknüpfung einer Tötungsanordnung für konkret gefährliche Tiere dürfte aus polizeirechtlicher Perspektive rechtlich keine Schwierigkeiten aufwerfen. Soweit die Gefahreneinschätzung auf einer sorgfältigen und sachgerechten Bewertung der vorliegenden Tatsachen beruht, mithin zureichende Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer zukünftigen Gefahr vorliegen,
sind zur Abwehr einer konkreten Gefahr geeignete Maßnahmen der Gefahrenabwehr möglich. Eine gewisse Vermutung eines zukünftigen Schadens reicht allerdings nicht aus. Der Schadenseintritt muß hinreichend wahrscheinlich sein.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts geringere Anforderungen zu stellen, wenn der möglicherweise eintretende Schaden sehr groß sein kann, insbesondere, wenn hochwertige Schutzgüter wie Leben und Gesundheit bedroht sind.
Da von einem konkret gefährlichen Hund in der Tat erhebliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen und Tieren ausgehen können, dürfte die Tötungsanordnung keinen grundlegenden polizeirechtlichen Bedenken unterliegen.
Die Tötungsanordnung wirft unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzgesetzes primär die Frage auf, ob sie mit § 1 Satz 2 des Tierschutzgesetzes vereinbar ist, wonach niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden und Schäden zufügen darf. Es entspricht heute herrschender Meinung, daß diese Vorschrift auch das Leben des Tieres schlechthin schützt.
Die Tötung eines konkret gefährlichen Tieres aus Gründen der Gefahrenabwehr dürfte regelmäßig durch einen vernünftigen Grund gedeckt sein, so daß auch unter dem Gesichtspunkt des § 1 Abs. 2 Tierschutzgesetz keine grundlegenden Bedenken bestehen. Es ist allerdings immer zu prüfen, ob ein milderes Mittel in Betracht kommt. Die Tötung eines Tieres ist grundsätzlich nur als "ultima ratio" zulässig.
Fraglich ist auch, ob ein vernünftiger Grund bei eingezogenen Hunden angenommen werden kann, die im Zeitpunkt der Einziehung ungefährlich waren und erst im Laufe der Verwahrung aufgrund der dortigen Haltungsbedingungen Verhaltensstörungen entwickeln.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 der HundeVO sind "gefährliche Hunde" außerhalb des eingefriedeten Besitztums anzuleinen und müssen einen Maulkorb tragen. Diese Vorschrift wirkt sich insbesondere hinsichtlich der Kategorie I Hunde schwerwiegend aus, da bei Kategorie I Hunden die Vermutung der Gefährlichkeit nicht widerlegbar ausgestaltet ist. Diese Tiere müssen zeitlebens und ausnahmslos einen Maulkorb tragen sowie angeleint bleiben.
Die Rechtsprechung hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit der Frage eines Leinen- und Maulkorbzwangs für konkret gefährliche Hunde befaßt. Nach dieser Rechtsprechung kann als gesichert gelten, daß ein Leinen- und Maulkorbzwang jedenfalls dann keinen rechtlichen Bedenken begegnet, wenn sich ein Tier als konkret gefährlich, etwa bissig erwiesen hat.
Fehlt es hingegen an einer konkreten Gefährlichkeit, dürfte die Anordnung eines Maulkorb- und Leinenzwangs sowohl unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Gefahrenabwehr als auch unter tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten erhebliche Bedenken aufwerfen.
Soweit die Verordnung einen generellen Leinen- und Maulkorbzwang "auf Lebenszeit" auch für Hunde vorsieht, von denen keine Gefahren für Dritte ausgehen, kommt eine Verletzung von § 2 Nr. 1 Tierschutzgesetz in Betracht, wonach ein Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend zu pflegen ist. Nach § 2 Nr. 2 ist der Halter verpflichtet,
"die Möglichkeit der artgemäßen Bewegung nicht so einzuschränken, daß dem Tier Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden".
Der Begriff des Leidens wird in Rechtsprechung und Literatur übereinstimmend als eine der Wesensart des Tieres zuwiderlaufende, instinktwidrige und vom Tier gegenüber seinem Selbst- und Arterhaltungstrieb als lebensfeindlich empfundene Einwirkung angesehen.
Leiden wird als "dauernde Entbehrungen angeborener Verhaltensbedürfnisse",
mithin als umfassende Beeinträchtigung im Wohlbefinden angesehen,
die über ein schlichtes Unbehagen hinausgeht und über eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne fortdauert.
Leiden in diesem Sinne werden Hunden zugefügt, wenn ihnen zeitlich unbeschränkt ein Leinen- und Maulkorbzwang auferlegt wird. Durch den Leinen- und Maulkorbzwang wird den Hunden die Möglichkeit genommen, Sozialkontakte zu anderen Hunden aufzubauen und sich in anderer Weise artgemäß mit Hunden auseinanderzusetzen. Durch den Maulkorb wird darüber hinaus das für den Temperaturausgleich erforderliche und daher lebensnotwendige Hecheln der Tiere behindert. Es ist allgemein anerkannt, daß die Entwicklung eines normalen Sozialverhaltens für Tiere außerordentlich wichtig ist.
(Feddersen-Petersen, Hunde und ihre Menschen, 1992, S. 180)
Die anerkannte Veterinärmedizinerin, Frau Prof. Dr. Irene Stur, teilt die Bedenken von Frau Feddersen-Petersen und führt überzeugend aus, daß eine genereller Leinen- und Maulkorbzwang die Aggressionsbereitschaft von Hunden eher steigert. Bißvorfälle in der eigenen Familie, die schon heute den größten Anteil an Bißvorfällen ausmachen, würden deshalb gehäuft auftreten.
Es ist darüber hinaus allgemein anerkannt, daß auch im Tierhaltungsrecht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist.
Auch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hat unter Rekurs auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den "Tierverbrauch" in der Forschung begrenzt.
Der generelle Leinen- und Maulkorbzwang steht mit diesen Grundsätzen nicht im Einklang. Es ist weder einzusehen noch nachvollziehbar, daß bei Tieren, die ungefährlich sind oder deren Ungefährlichkeit sogar - z.B. durch einen Wesenstest - nachgewiesen worden ist, auf Lebenszeit ein Leinen- und Maulkorbzwang vorgeschrieben wird, der geeignet ist, bei den Hunden die vorerwähnten Verhaltensstörungen auszulösen.
Nach vorliegenden Pressemeldungen hat auch das OVG Bremen kürzlich diese Haltung eingenommen.
Auch der Hamburger Senat hat im Zusammenhang mit der im März 2000 erfolgten Novellierung der Hundeverordnung von einem generellen Leinenzwang abgesehen und dies wie folgt begründet:
(Freie und Hansestadt Hamburg, Staatliche Pressestelle, Presseerklärung vom 14. März 2000, Seite 8)
Zusammenfassend ist deshalb festzuhalten, daß ein genereller Leinen- und Maulkorbzwang für Kategorie I Hunde gegen § 2 Abs. 2 des Tierschutzgesetzes sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt und deshalb bundesrechtswidrig ist.
III
Zusammenfassung der Ergebnisse
Rechtsanwalt
Dr. Ulrich Wollenteit
Hamburg, den 13.10.2000