"Ich schoss ein weiteres Mal"

Ermittlungen gegen zwei Polizisten: Sie töteten einen Hund mit 10 Schüssen
Von Kai von Appen

Die Kampfhundhysterie in Hamburg hat nicht nur ein unschuldiges tierisches Opfer gefordert, sondern womöglich auch strafrechtliche Konsequenzen für zwei Beamte des Polizeireviers Troplowitzstraße. "Wir haben ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz eingeleitet", bestätigte Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger gestern der taz hamburg. Die beiden Polizisten hatten den Bulldog/Boxer-Mischling "Lisa" am 30. Juni mit 10 Schüssen getötet. Die Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE) hat sich inzwischen eingeschaltet.

Was eigentlich als eine harmlose Ruhestörung begann, endete in jener Nacht mit einer regelrechten Treibjagd. Die Besatzung des Peterwagen 23/2 war damals um 2.59 Uhr in Fehlhoopstücken 56 in Lokstedt gerufen worden, weil sich eine Anwohnerin über das Bellen von Lisa beschwert hatte. Auch die beiden Polizisten nahmen den Hund am Fenster wahr, den sie für einen "kleinen Terrier" gehalten haben. Besitzer Dennis Bott hatte die Hündin in der Wohnung des Freundes Klaus-Dieter Bohn nebst Katze "Tiger" zurückgelassen.

Nach einer Anfrage über das Polizeisystem Polas, in der Bohn als Drogenkonsument geführt wird, schlossen die Beamten nach eigenen Angaben einen möglichen Notfall nicht aus und entschieden sich, die Wohnung aufbrechen zu lassen. Statt aber - wie üblich - einen Hundefänger aus dem Tierheim Süderstraße oder einen Führer der Polizeihundestaffel zu ordern, holten sie nur die Feuerwehr, die um 3.59 die Tür öffnete.

Der als lieb und zutraulich geltende Bulldogboxer reagierte wie ein Hund, der sein Revier verteidigt: Lisa bellte und rannte aufgeregt umher. Inzwischen ist in der Wahrnehmung des Beamten Braun* aus dem kleinen Terrier ein Pitbull geworden. "Da ich mich massiv bedroht fühlte (...) gab ich einen gezielten Schuss auf das Tier ab", schrieb er in seinen offiziellen Bericht über den Vorfall. Es wurde laut Braun getroffen, verschwand in den hinteren Räumen, tauchte dann aber wieder auf, so dass er noch zweimal auf Lisa schoss. Wiederum getroffen flüchtete der Vierbeiner erneut. Braun folgte dem Hund: "Der Pitbull lag auf einem Sessel", schildert er nun die Ereignisse, "um einen Angriff zu vermeiden, schoss ich dann ein viertes Mal." Doch wieder war Lisa nicht tot, sondern sprang nun aus dem Fenster der Wohnung im zweiten Stock.

Die Beamten riefen über Funk Verstärkung und machten sich nach einiger Zeit dann auch selbst wieder auf die Jagd. Die beiden trafen in der Stresemannallee auf Lisa, wo sie schwer verletzt rastete. Als sie mit einer Schlinge eingefangen werden sollte, flüchtete sie erneut. Da die Beamten eine Gefahr für die Bevölkerung unterstellten, schoss Kollege Gerber* nun aus der Maschinenpistole und trifft den Hund zweimal. "Da er noch nicht tödlich getroffen war, schoss ich mit meiner Dienstpistole ein weiteres Mal auf den Hund", gibt Braun später zu Protokoll. Auch nach diesen Schüssen stand Lisa wieder auf, Gerber schoss wieder zweimal aus der MP auf den Kopf des Hundes, Born nochmals aus der Pistole: "Dadurch wurde der Pitbull getötet."

Ob der Einsatz dilettantisch und unverhältnismäßig war, müssen nun die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergeben. Aber wohl allein der Grund, dass die Betroffenen Strafantrag gegen die Polizisten gestellt haben und unter AnwohnerInnen Unterschriften und Spenden für einen Prozess und Gegendarstellungen in der Springer-Presse sammeln, hat mittlerweile zwischen Revierbeamten, Klaus-Dieter Bohn und seinen Freunden zum Kleinkrieg geführt.

Nur wenige Tage nach dem Vorfall stürmten Polizisten eine Geburtstagsfete bei Bohn und nahmen mehrere Gäste in Gewahrsam. "Wir werden ja sehen, wer den längeren Arm hat", hätten die Beamten gedroht. Für Anwältin Angela Wierig ein ungehöriger Vorgang: "Da es sich um eine Ordnungswidrigkeit handelt, ist eine Polizeihaft gar nicht zu rechtfertigen."

*Namen geändert

taz Hamburg Nr. 6500 vom 19.7.2001, Seite 22, 57 TAZ-Bericht Kai von Appen

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