Wochenspiegel Wittenberg
Urteil des Oberverwaltungsgerichtes:
Hundeverordnung für nichtig erklärt
Großer Erfolg für die klagenden Hundefreunde: Das
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat in einem
Normenkontrollverfahren die Hunde- verordnung des Landes in allen
wesentlichen Punkten endgültig für nichtig erklärt, Revision
wurde nicht zugelassen.
Magdeburg/Wittenberg (wm). Die juristische Niederlage für
Innenminister Klaus Jeziorsky hatte sich bereits vor Wochen
abgezeichnet, und jetzt ist sie komplett:
Das Oberverwaltungsgericht hat alle die Paragrafen der
Hundeverordnung für nichtig erklärt, die eine vermeintliche
Gefährlichkeit von Hunden über die Zugehörigkeit zu einer
Rasse definieren. Damit bleibt von der Substanz der
Hundeverordnung nichts mehr übrig. Für die Stadtverwaltung
Wittenberg begrüßte Ordnungsamtschef Jürgen Krause das Urteil
als einen "Schritt in die richtige Richtung"; ebenso
äußerte sich der Landestierschutzbund. Das Regierungspräsidium
Dessau wollte sich dagegen noch nicht äußern, man warte ab, was
die Prüfung des Urteils durch das Innenministerium ergebe, hieß
es ausweichend.
Das Oberverwaltungsgericht stellte fest, die Hundeverordnung des
Landes Sachsen-Anhalt ist schon deshalb nichtig, weil es der
Landesregierung für den Erlass einer solchen Verordnung an einer
gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehlt. Die Vorschriften der
Hundeverordnung könnten auch nicht auf das Gesetz über die
öffentliche Sicherheit und Ordnung gestützt werden - so das
Gericht - ,weil sie von der fehlerhaften Annahme ausgehen, dass
von bestimmten Hunden allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu
bestimmten Rassen eine abstrakte Gefahr ausgeht.
Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg schloss sich zur weiteren
Begründung des Urteils den Ausführungen des
Bundesverwaltungsgerichtes an, das mit Urteil vom 3. Juli 2002
unter anderem festgestellt hatte: "Aus der Zugehörigkeit zu
einer Rasse, einem Typ oder gar einer entsprechenden Kreuzung
allein lässt sich nach dem Erkenntnisstand der Fachwissenschaft
nicht ableiten, dass von den Hundeindividuen Gefahren ausgehen.
Insbesondere liegen weder aussagekräftige Statistiken oder
sonstiges belastbares Erfahrungswissen noch genetische
Untersuchungen vor. Fehlt es demnach an ausreichenden Belegen
für einen kausalen Zusammenhang zwischen Rassezugehörigkeit und
Schadenseintritt und somit an der abstrakten Gefahr aufgrund der
Rassezugehörigkeit, erlaubt das allgemeine Gefahrenabwehrrecht
keine Maßnahmen des Verordnungsgebers, die allein an die
Rassezugehörigkeit anknüpfen."
Ordnungsamtschef Jürgen Krause wies in seiner Eigenschaft als
Leiter des Wittenberger Tierheims auf die Veranstaltung vom 1.
Mai hin, bei der bereits die geltende Hundeverordnung als
rechtswidrig bezeichnet worden sei und ein sinnvolles Hundegesetz
gefordert worden war: "Auch der Tierschutz begrüßt dieses
Urteil", sagt Jürgen Krause, "wir hoffen jetzt darauf,
dass in einem Gesetzgebungsverfahren sinnvolle Regelungen
entstehen, die einerseits die vernünftigen Hundehalter nicht
diskriminiert, andererseits den Behörden und dem Tierschutz die
rechtliche Handhabe gibt, gegen den Missbrauch von Tieren durch
verantwortungslose Hundehalter vorzugehen."
Auch der Amtstierarzt Dr. Harald Kasan begrüßt das Urteil:
"Wir Tierärzte haben die bisherigen rassebezogenen
Regelungen immer kritisiert und darauf hingewiesen, dass etwaige
Probleme nicht durch die Natur des Hundes entstehen, sondern
durch das falsche Verhalten des Hundehalters."
Wesentlich zugeknöpfter zeigte sich der Ordnungsamtschef der
Kreisverwaltung, Uwe Lesch. Der Mann, der am Schulverbot für die
gutachterlich geprüfte Schulhündin "Ina vom
Klotzberg" beteiligt war, will nun abwarten, was an weiteren
Anweisungen vom Innenministerium kommt. Und das kann dauern.
Wer mag, kann die geprüfte Schulhündin Ina vom Klotzberg auch
im Internet besuchen: Unter www.amstaff-ina.de ist sie seit
Montag online.
http://www.wochenspiegel-wittenberg.de/stories/?story=18039&nowo=1
Ein Kommentar von Wolfgang Marchewka:
Sind Sie vielleicht überfordert Herr Innenminister?
Es ist so gekommen wie es kommen musste: Das
Oberverwaltungsgericht in Magdeburg hat die Hundeverordnung des
Landes Sachsen-Anhalt in allen wesentlichen Punkten für nichtig
erklärt.
Für die fachkundigen Hundefreunde im Lande, die mit drei
Normenkontrollverfahren gegen das herrschende tierische Unrecht
im Lande vorgegangen waren, ist das ein glatter Sieg.
Ein Sieg allerdings, dem mehr als nur ein bitterer Beigeschmack
anhaftet: Der Gegner im Rechtsstreit war immerhin Klaus
Jeziorsky, jener hauptamtliche CDU-Innenminister also, der von
uns Steuerzahlern dafür bezahlt wird das Recht zu beschützen
und nicht, es zu brechen. Wenn er es dennoch bricht, stellt sich
die Frage nach dem Warum.
Warum also hat CDU-Mann Jeziorsky eine rechtswidrige Verordnung
verteidigt, für die er noch nicht einmal ursächlich
verantwortlich ist, sondern die er so von seinem fachlich
unbedarften SPD-Vorgänger Manfred Püchel übernommen hat?
Warum verteidigt CDU-Mann Jeziorsky diese Verordnung auch dann
noch, als das höchste Gericht für diese Fälle, das
Bundesverwaltungsgericht, bereits am 3. Juli 2002 die Nichtigkeit
solcher Verordnungen am Beispiel Niedersachsen erklärt hat?
Warum verteidigt Jeziorsky die rechtswidrige Verordnung auch dann
noch, als das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt im
Zuge des laufenden Rechtsstreits den Innenminister mit Schreiben
vom 18. Oktober 2002 auf die Rechtswidrigkeit aufmerksam gemacht
hat?
Als Antwort kommen nur zwei Vermutungen in Betracht: Entweder
Vorsatz - in diesem Fall sollte ein fähiger Jurist einmal
prüfen, ob sich dieser Innenminister nicht der Rechtsbeugung
schuldig gemacht hat - oder aber der Mann ist schlicht und
einfach in seinem Amt überfordert. Aber egal: Als Konsequenz
seiner Handlungsweisen sollte sich Herr Jeziorsky über die
Weihnachtstage einmal die Zeit nehmen darüber nachzudenken, ob
er als Innenminister noch tragbar ist. Ein Abschied in aller
Stille wäre die sauberste Lösung - allerdings: Was ist
heutzutage an Politik noch sauber?
Leider bedeutet die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes
noch nicht das Ende der fachlich unsinnigen und menschlich
diffamierenden Bestimmungen, denn nun werden die selben
handelnden Personen der Landesregierung daran gehen, die vor
Gericht gescheiterte Hundeverordnung in ein entsprechendes Gesetz
umzurubeln. Das geht im Prinzip, nur das Verfahren ist ein wenig
aufwändiger, schließlich müssen dabei am Ende genügend
Landtagsabgeordnete zustimmend die Finger heben. Aber seien wir
doch mal ehrlich: Fachliche Inkompetenz ist doch kein Privileg
für nach Zustimmung der Volksmassen heischende Innenminister,
und so muss man auch für das künftige Hundegesetz Schlimmes
befürchten.
Daher kann der Erfolg vor Gericht für die klagenden Hundehalter
nur eines bedeuten: Die erste Runde ist zwar eindeutig gewonnen,
aber der Kampf für eine wirklich sinnvolle und dem Problem
gerecht werdende Hundeverordnung muss weitergehen.
Schön wäre es, wenn dabei die Bürgerinnen und Bürger
mitwirken würden, denn es geht auch um deren Sicherheit. Und die
kann nur verbessert werden, wenn wir von dieser unsinnigen
Rassediskussion wegkommen und endlich die Probleme dort anpacken
wo sie entstehen - bei solchen Hundehaltern, die nicht
sachgemäß mit ihren Tieren umgehen. Leider gibt es solche
Hundehalter überall, und zwar nicht nur im kriminellen oder
sozial problematischen Milieu. Und mit der Rasse der dort
gehaltenen Hunde hat das gar nichts zu tun.
http://www.wochenspiegel-wittenberg.de/stories/?story=18040&nowo=1