FDP will Hamburger Hundeverordnung kippen

Rottweiler töten Kind in Rheinland-Pfalz: Politiker stellen Rasselisten in Frage und fordern Prüfungen für Halter

Von Martin Kopp

Nach der tödlichen Beißattacke zweier Hunde gegen einen sechsjährigen Jungen in Rheinland-Pfalz am Donnerstag ist auch in Hamburg die Diskussion um die Hundeverordnung neu entbrannt. Zahlreiche Politiker fordern, die Bürgerschaft erneut mit dem Thema zu befassen. Abgeordnete der Regierungskoalition und Tierschützer drängen auf eine Gesetzesinitiative zu einem Fachkundenachweis für Hundezüchter und Halter.

Die Hamburger Hundeverordnung basiert auf so genannten Rasselisten, die von den meisten Bundesländern anerkannt werden. Darin werden Hunde je nach Rassezugehörigkeit in verschiedene Gefahrenkategorien eingestuft. Bei den Hunden, die am Donnerstag den Jungen in der Westpfalz tot bissen, handelt es sich aber um Rottweiler. Diese gelten als deutsches Zuchtgut und stehen nicht auf der Liste gefährlicher Hunde. Deshalb halten Hamburgs Politiker die Rasselisten für überholt.

"Die relativ rasch nach dem Tod des kleinen Volkan eingeführte Hundeverordnung ist einfach zu lückenhaft", sagte Jürgen Klimke von der CDU. "Viele Hunde, wie die in Osteuropa gezüchteten domestizierten Wolfshunde, werden darin gar nicht aufgeführt." Die Liste nun um die Gattung der Rottweiler zu erweitern, sei aber keine Lösung: "Sie können auch Pinscher so scharf machen, dass sie eine Gefahr für Menschen darstellen, sagte Karina Weber von der Schill-Partei. Man könne nicht die Liste endlos erweitern. Stattdessen müsste die Hamburger Hundeverordnung völlig überarbeitet werden.

Ekkehard Rumpf, der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion will die Hundeverordnung sogar abschaffen: "Die Gefährlichkeit von Hunden ist ein individuelles Merkmal, das sich nicht an der Rasse festmachen lässt. Deshalb taugt die Hundeverordnung nichts." Rumpf fordert "ein Gesetz, dass den Schutz vor gefährlichen Hunden bei der Wurzel packt, nämlich bei den Züchtern und Haltern." Zusammen mit seinen Koalitionskollegen Weber und Klimke, will Rumpf eine Initiative für ein Gesetz ins Leben rufen, das eine schärfere Kontrolle von Züchtern und Haltern einfordert. Erste Schritte dazu sollen bei Gesprächen mit den Tierschutzverbänden Anfang Mai eingeleitet werden.

Beim Hamburger Tierschutzverein in der Süderstraße ist der Vorstoß positiv aufgenommen worden. Geschäftsführer Wolfgang Poggendorf, der die Einführung der Hundeverordnung nach den dramatischen Ereignissen in Wilhelmsburg im Sommer 2000 auch gegen scharfe Kritik aus den eigenen Reihen unterstützt hatte, zeigte sich über den neuen Kurs der Regierungsparteien erleichtert: "Hundezucht muss endlich als Gewerbe eingestuft und entsprechend überwacht werden." Ähnliches gelte, so Poggendorf, für die Haltung von Hunden: "Bei falschem Umgang können die Tiere zu einer Gefahr für die Allgemeinheit werden. Deshalb sollte die Haltung von Hunden künftig von einer Fachkundeprüfung abhängig gemacht werden." Poggendorf plädiert dafür, dass jedem, der sich einen Hund anschafft, ein obligatorischer Besuch der Hundeschule zur Pflicht gemacht wird. Der FDP-Politiker Rumpf fordert: "Künftig sollte jeder Hundehalter bei der geringsten Auffälligkeit seines Tieres einer strengen Prüfung unterzogen werden." Seit Inkrafttreten der Hamburger Hundeverordnung sind fast 600 Tiere durch die Ordnungskräfte in der Stadt kontrolliert worden. 360 wurden sichergestellt, 90 sogar eingeschläfert.

 DIE WELT am SONNTAG, 30.03.2002,