Pressemitteilung des VGH Kassels

Kassel, 29.8.01

Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde teilweise für nichtig erklärt

Unwiderlegliche Vermutung der Kampfhundeeigenschaft nicht erforderlich

Mit einem heute verkündeten Urteil hat der 11. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes die im August vergangenen Jahres erlassene Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde des Hessischen Ministers des Innern und für Sport teilweise für nichtig erklärt. Die Entscheidung, die auf Grund einer gestern durchgeführten Verhandlung ergangen ist, betrifft insbesondere die in der Verordnung enthaltene unwiderlegliche Vermutung der Kampfhundeeigenschaft und damit der einem Gegenbeweis nicht zugänglichen besonderen Gefährlichkeit aller Hunde dreier Hunderassen: American Pitbull Terrier bzw. Pit Bull Terrier, American Stafford bzw. Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier.

Sollte die Entscheidung rechtskräftig werden, wären diese Hunderassen weiteren zwölf Rassen und Gruppen gleichgestellt, bei denen nach der Verordnung die Gefährlichkeit der betreffenden Hunde nur widerleglich vermutet wird und diese Vermutung durch einen positiv verlaufenen Wesenstest widerlegt werden kann. Die Rechtmäßigkeit für die Haltung von Hunden dieser zweiten Gruppe geltender Erlaubnisvoraussetzungen einschließlich der Bestimmungen über die notwendige Zuverlässigkeit ihrer Halter hat der Senat weitgehend bestätigt; lediglich das Verlangen, den Abschluß einer Haftpflichtversicherung für den jeweiligen Hund nachzuweisen, hielt der Senat wegen fehlender gesetzlicher Ermächtigung für nichtig. Unwirksam sind nach der verkündeten Entscheidung auch alle weiteren Bestimmungen, die ausschließlich die erwähnten drei Hunderassen betreffen; dies gilt für den Maulkorbzwang, das Gebot der Unfruchtbarmachung, ein weitgehendes Handels- und Abgabeverbot sowie verschärfte Voraussetzungen für die Erteilung einer Halteerlaubnis für solche Tiere.

Bestätigt wurde mit der Entscheidung die Rechtmäßigkeit einiger weiterer von den 24 Antragstellern beanstandeter Bestimmungen der Gefahrenabwehrverordnung gefährlicher Hunde. Dies betrifft insbesondere den angeordneten Leinenzwang, die Pflicht "gelistete" gefährliche Hunde auch nach bestandener Wesensprüfung mit einem elektronisch lesbaren Chip unveränderlich zu kennzeichnen, und die Anforderung, dass Wohnungen und Grundstücke der Halter solcher Hunde mit einem Warnschild "Vorsicht Hund!" kenntlich gemacht werden. Unbeanstandet blieb auch, dass in der Verordnung Wesenstests und Erlaubnisverfahren nicht auch für andere Hunderassen, etwa Deutsche Schäferhunde oder Boxer, angeordnet worden sind.

Auf Antrag einiger Antragsteller musste sich der Senat in dem Urteil auch mit der Rechtmäßigkeit der vom Innenminister aufgehobenen Kampfhundeverordnung vom 5. Juli 2000 befassen. In dieser Verordnung war die Kampfhundeeigenschaft für 16 Hunderassen und -gruppen fingiert worden; an diese Fiktion hatte der Verordnungsgeber ein Verbot der Haltung solcher Tiere mit Erlaubnisvorbehalt und weitergehende Anforderungen an die Tierhalter geknüpft als in der jetzt geltenden Verordnung. Der Senat stellt in seiner Entscheidung fest, daß diese Kampfhundeverordnung aus mehreren Gründen nichtig war.

Da die Vereinbarkeit einer unwiderleglichen Vermutung der Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes in der Rechtsprechung von Landesverfassungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten in letzter Zeit unterschiedlich beurteilt worden ist, hat der Senat gegen sein Urteil die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Nicht auf dem juristischen Prüfstand standen in diesem Verfahren diejenigen Bestimmungen der Gefahrabwehrverordnung gefährliche Hunde, die ausschließlich für nicht "gelistete" Hunde gelten, die sich individuell als gefährlich erwiesen, insbesondere Menschen angegriffen haben. Für diese Gruppe von Hunden gilt die Verordnung uneingeschränkt.

Aktenzeichen: 11 N 2497/00

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