Günther
Heidel Wollenteit Hack
Rechtsanwälte
Verwaltungsgericht Hamburg
Nagelsweg 37
20097 Hamburg
23.10.2002
...
In der Verwaltungsrechtssache ... liegt dem
Unterzeichnenden inzwischen das Revisionsurteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 03.07.2002 vor. ...
Das Urteil
bestätigt die Rechtsauffassung der Kläger:
1.
Auf Seite 15 des Urteilumdrucks wird
ausgeführt, dass allenfalls ein Gefahrenverdacht bezüglich der
inkriminierten Hunde auf Grund ihrer Rassezugehörigkeit bestehe.
Es wird weiter zutreffend ausgeführt, dass in der Wissenschaft
sehr umstritten sei, welche Bedeutung dem Faktor
Rassezugehörigkeit neben zahlreichen anderen Ursachen -
Erziehung und Ausbildung des Hundes, Sachkunde und Eignung des
Halters sowie situative Einflüsse - für die Auslösung
aggressiven Verhaltens zukomme. Das Bundesverwaltungsgericht
teilt die zentrale Auffassung der Kläger, dass
"weder aussagekräftige
Statistiken oder sonstiges belastbares Erfahrungswissen noch
genetische Untersuchungen vor(liegen)."
Besonders wohltuend an dieser rationalen
Einschätzung ist, dass die völlig überzeichnete
Gefahrenbeurteilung, wie sie etwa auch in dem Schriftsatz der
Beklagten vom 10.11.2000 in unverantwortlicher Weise verbreitet
wird, auf einen bloßen "Gefahrenverdacht" reduziert
wird. Ob die Annahme eines solchen Gefahrenverdachtes bezüglich
der Kat. II Hunde - im Unterschied zu anderen Hunden -
gerechtfertigt ist, wird von den Klägern allerdings bezweifelt.
2.
Sehr zu begrüßen ist auch, dass das
Bundesverwaltungsgericht die Auffassung der Kläger teilt, dass
Aspekte der "sozialen Akzeptanz" im Recht der
Gefahrenabwehr nichts zu suchen haben. In Übereinstimmung mit
den Ausführungen der Kläger vertritt das
Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, dass der vielfach - so
auch vom OVG Hamburg (vgl. Beschluss vom 11. 12.2000, 2 Bs
311/00) - hergestellte präjudizielle Bezug zur Entscheidung des
BVerwG vom Januar 2000 (BVerwGE 110, 265) für den hier
interessierenden Kontext wegen des steuerrechtlichen Hintergrunds
unzulässig ist. Aspekte der "sozialen Akzeptanz" sind
im Recht der Gefahrenabwehr - deutlicher lässt es sich kaum
sagen "ohne Belang" (S. 16 der U.A.).
3.
Die wichtigste Konsequenz aus der
"Herabzonung" der Gefahrbehauptung zu einem bloßen
Gefahrenverdacht ist die Verletzung des im Bundesrecht
verankerten Wesentlichkeitsgrundsatzes. Das allgemeine
Polizeirecht trägt eine Polizeiverordnung nicht, die lediglich
auf einen Gefahrverdacht reagiert. Auch die in diesem Kontext von
vielen Gerichten mobilisierte
"Einschätzungsprärogative" des Verordnungsgebers, die
nach der Auffassung der Kläger in der bisherigen Diskussion zum
Teil erheblich überschätzt wurde (zutreffend dagegen OVG
Schleswig, Urt. vom 29.05.2001, 4 K 8/00), kann zur
Rechtfertigung einer abstrakt generellen Regelung im Bereich der
Gefahrenabwehr nicht herangezogen werden (S. 11 der U.A.).
Sollen Gefahren bereits auf Grundlage eines
bloßen Gefahrenverdachts bekämpft werden, bedarf es hierfür
nach der Auffassung des BVerwG einer gesetzgeberischen
Entscheidung. Die für Aufgaben der Gefahrenabwehr zuständigen
Behörden sind nach geltendem Polizeirecht insoweit lediglich auf
Gefahrenerforschung (S. 18 U.A.) reduziert.
4.
Entgegen erster Äußerungen von
Verantwortlichen der Beklagten liegt eine derartige
"spezielle gesetzliche Grundlage" in Hamburg nicht
vor. § 1 a SOG genügt den Anforderungen, die das
Bundesverwaltungsgericht in seinen Revisionsentscheidungen
verlangt, ersichtlich nicht. Die maßgeblichen Festsetzungen sind
in der Hundeverordnung und nicht in § 1 a SOG unmittelbar durch
den Gesetzgeber selbst getroffen worden. Dies gilt insbesondere
für die Rasseliste.
Zwar mag § 1 a Abs. 3 SOG als
Ernächtigungsgrundlage ein höheres Differenzierungsniveau
aufweisen als die polizeirechtliche Generalklausel. Dies genügt
aber nicht, da der Gesetzgeber die maßgeblichen Regelungen -
insbesondere die Rasselisten - selbst verantworten muss. Dies
hat er ersichtlich nicht getan.
Die Revisionsurteile des Bundesverfassungsgerichts verlangen mehr als eine bloße Präzisierungen der Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Polizeiverordnung. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies unmissverständlich wie folgt ausgedrückt:
"Fehlt es
demnach an ausreichenden Belegen für einen kausalen Zusammenhang
zwischen Rassezugehörigkeit und Schadenseintritt und
somit an einer abstrakten Gefahr aufgrund der
Rassezugehörigkeit, erlaubt das allgemeine Gefahrenabwehrrecht
keine Maßnahmen des Verordnungsgebers, die alleine an die
Rassezugehörigkeit anknüpfen. Derartige Regelungen gehörten
zur Gefahrenvorsorge und bedürfen, wie dargelegt, einer
speziellen gesetzlichen Grundlage. Namentlich hat der
Gesetzgeber die etwaige Einführung sogenannten Rasselisten
selbst zu verantworten." (S. 16 UA)
Bereits die klare Aussage, dass der
Gesetzgeber die Einführung etwaiger Rasselisten selbst zu
verantworten hätte, lässt keinen Zweifel daran, dass eine
bloße Ermächtigung der Verwaltung, derartige Rassen zu
definieren, nicht ausreichen kann.
Der Klage wird deshalb bereits aus diesem
Grund in vollem Umfang stattzugeben sein.
5.
Ferner ist vorliegend zu berücksichtigen,
dass bei allen Klägern ein etwaiger Gefahrenverdacht durch einen
Wesenstest ausgeräumt worden ist.
Dieser Aspekt erlaubt es allerdings nicht,
bezüglich der Kat. II Hunde die streitgegenständlichen
Vorschriften mit der Begründung aufrechtzuerhalten, hinsichtlich
der Kat. II Hunde reduziere sich die getroffene Maßnahme auf
eine solche der Gefahrenerforschung, indem dem Halter lediglich
auferlegt werde, durch ein Negativzeugnis den Gefahrenverdacht zu
widerlegen.
In dem weiteren Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 03.07.2002 (BVerwG 6 CN 6.01)
führt das Bundesverwaltungsgericht insoweit überzeugend aus:
"Der
erkennende Senat hat erwogen, ob der Gesichtspunkt des
Gefahrenerforschungseingriffs dazu führen kann, dass die
angegriffenen Bestimmungen nach allgemeinen Gefahrenabwehr
rechtlich als zulässig erweisen. Dieser Gesichtspunkt
könnte es aber allenfalls rechtfertigen, dass Hunde
bestimmter Rassen einem Wesenstest zugeführt werden
müssen und dass nach Bestehen dieses Tests keine weiteren
Anforderungen an die Hundehalter gestellt werden, weil
dann der Gefahrenverdacht ausgeräumt ist. Die
GefahrtierVerordnung berührt jedoch auch in Bezug auf die in
Anlage 1 erwähnten Hunderasse und Kreuzungen nicht auf einem
solchen Konzept. Denn der Verordnungsgeber geht davon aus,
dass trotz des Bestehens des Wesenstests eine erhöhte
Gefährlichkeit weiter gegeben ist. Die Anforderungen nach
§ 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GefTVO an die sichere Haltung und
die Eignung und Sachkunde des Halters sowie die Pflichten
zur Kennzeichnung und die besonderen Gebote hinsichtlich der
Führung des Hundes, nach § l Abs. 3 und 6 GefTVO
beanspruchen Geltung auch nach bestandenen Wesenstest (§ 2 Abs.
2 GefTVO)". (S. 16/17)
Anlage
K 13
Diese Überlegungen sind auch im
vorliegenden Kontext relevant. Denn auch die Hamburger
Hundeverordnung behandelt nach Vorliegen eines Negativtestes die
Kat. II Hunde nicht wie jeden anderen Hund. Dies ergibt
sich zunächst zentral aus § 2 Abs. 3, wonach die Freistellung
von der Erlaubnispflicht keinesfalls zwingend vorgeschrieben ist.
Vielmehr stellt diese Vorschrift die Befreiung von der
Erlaubnispflicht ins Ermessen der Behörde.
Dem Unterzeichnenden sind aus seiner Praxis
Fälle bekannt, in dem das Ermessen zum Nachteil von Hundehaltern
ausgeübt wurde.
Zum Anderen entspricht es der üblichen
Praxis der Beklagten, im Falle eines Halterwechsels einen neuen
Wesenstest zu verlangen. Auch hierdurch werden die Kläger
erheblich belastet. Hinzuweisen ist schließlich auf § 8 Abs.
2 sowie § 10 Abs. 1 Nr. 4 b der Hundeverordnung.
6.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass
hinsichtlich der Kat. II Hunde die getroffenen Maßnahmen als
Gefahrenerforschung gerechtfertigt werden könnten, würde dies
das Klagebegehren der Kläger keinesfalls erledigen.
Es wären nämlich weiterhin grobe
Gleichheitsverstöße zu beanstanden. Es ist nicht einzusehen,
weshalb eine Gefahrenerforschung lediglich bezüglich bestimmter
Rassen stattfindet.
In diesem Kontext ist ferner auf das
gesamte bisherige Vorbringen Bezug zu nehmen. Hingewiesen werden
soll auch insoweit auf die Presseerklärung des
Bundesverwaltungsgerichts, die diesen Aspekt ebenfalls
aufgegriffen hat:
"Auf
die im Hinblick auf den Gleichheitssatz gewichtigen Bedenken dagegen,
dass der Verordnungsgeber es unterlassen hat, seine Regelungen
namentlich auf den Deutschen Schäferhund zu erstrecken, kam
es für die Revisionsentscheidung nach dem Gesagten nicht
mehr an."
Anlage
K 14
Es wird erneut um Mitteilung gebeten, wann
mit einer Terminierung gerechnet werden darf. Die vorliegende
Klage ist bereits seit mehr als zwei Jahren anhängig.
Rechtsanwalt
Dr. Ulrich Wollenteit