Günther - Heidel - Wollenteit - Hack

Rechtsanwälte

 

Verwaltungsgericht Hamburg
Lübeckertordamm 4

20099 Hamburg

06.05.2003

 

In der Verwaltungsrechtssache ...

überreichen wir ... die inzwischen vorliegende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Hundeverordnung Mecklenburg-Vorpommern. ...

Mit der Entscheidung zu Mecklenburg-Vorpommern liegt nunmehr die letzte von drei höchstrichterlichen Revisionsentscheidungen zu den bisher beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Hundeverordnungen vor.

Das Urteil zur Hundeverordnung M-V setzt die Linie der beiden anderen Revisionsurteile (Niedersachsen und Schleswig-Holstein) fort, enthält aber auch eine Reihe neuer sehr interessanter Aspekte.

Zunächst bestätigt die Entscheidung die bisherige Rechtsprechung zum Gefahrenbegriff. Insbesondere hält das Gericht an seiner Rechtsprechung zur notwendigen Unterscheidung einer "konkreten" und "abstrakten" Gefahr von einem bloßen "Gefahrenverdacht" bzw. "Besorgnispotential" fest. Das Bundesverwaltungsgericht führt aus, dass die rechtsstaatliche und demokratische Garantiefunktion der sicherheitsrechtlichen Verordnungsermächtigung in Frage stünde, könnte die Exekutive nach diesen Vorschriften bereits einen mehr oder minder begründeten Verdacht zum Anlass für generelle Freiheitsbeschränkungen nehmen (...). Erneut betont das Bundesverwaltungsgericht, dass alleine der Gesetzgeber befugt ist, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen die Rechtsgrundlage für Grundrechtseingriffe zu schaffen, mit denen Risiken vermindert werden sollen, für die - sei es aufgrund neuer Verdachtsmomente, eines gesellschaftlichen Wandels oder einer veränderten Wahrnehmung in der Bevölkerung - Regelungen gefordert werden.

Schließlich hält das Bundesverwaltungsgericht an seiner Rechtsprechung fest, dass nach vorliegenden Erkenntnissen, die Zugehörigkeit zu einer Rasse alleine den maßgeblichen Gefahrentatbestand nicht zu begründen vermag (...). Auch in diesem Urteil leitet das Bundesverwaltungsgericht dies aus dem Fehlen aussagekräftiger Statistiken sowie fehlender fachwissenschaftlicher Erkenntnisse ab. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts stellt das Bundesverwaltungsgericht unmissverständlich klar, dass Aspekte der Akzeptanz und Nichtakzeptanz von Rassen in der Bevölkerung für die Feststellung einer Gefahr im Sinne des allgemeinen Rechts der Gefahrenabwehr ohne Belang sind (...).

Interessant sind die Urteilspassagen, in denen das Bundesverwaltungsgericht die Zurückverweisung an das OVG Greifswald begründet. Bereits in den Vorgängerentscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Befugnisse der allgemeinen Polizeibehörden im allgemeinen Recht der Gefahrenabwehr den Aspekt der Gefahrenerforschung umfassen. Die Hundeverordnung des Landes Mecklenburg-Vorpommern zählt zu den "liberaleren" der Bundesrepublik Deutschland, insofern die Hundeverordnung lediglich eine widerlegliche Vermutung für alle Hunderassen statuiert. Das Bundesverwaltungsgericht hält es deshalb nicht für ausgeschlossen, dass die "Rasseliste" der Hundeverordnung M-V als eine Regelung zur Gefahrenerforschung ausgelegt werden könnte und dass sie als solche Bestand haben könnte (...). Bereits in den vorangegangenen Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht erkannt, dass die Aufstellung eines verordnungsrechtlichen Gefahrermittlungsprogramms auf Grundlage der polizeirechtlichen Generalermächtigung bundesrechtlich zulässig sein könnte. Diese Überlegung könnte in Hamburg für die Beurteilung der Regeln der Hamburgischen Hundeverordnung zu den Kat. II - Hunden Relevanz gewinnen.

Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen, die an die Aufstellung einer Liste von Hunderassen zu stellen sind, die nach Auffassung eines Verordnungsgebers Maßnahmen der Gefahrenerforschung unterworfen werden sollen. Interessant ist in diesem Kontext, dass das Bundesverwaltungsgericht auch insoweit die Auffassung der Kläger teilt, dass bei der Aufstellung einer solchen Liste der Gleichheitssatz zu beachten ist. Welche einzelnen Hunderassen der Verordnungsgeber ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in eine der Gefahrenerforschung dienende Liste aufnehmen darf und welche er unberücksichtigt lassen darf, hängt generell vom Bestehen eines begründeten Gefahrenverdachts ab. Auch hier dürfen allerdings keine allgemeinen Erwägungen zur Nichtakzeptanz oder Akzeptanz der jeweiligen Rasse in der Bevölkerung herangezogen werden. Das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet das Oberverwaltungsgericht vielmehr dazu, sich Gewissheit darüber zu verschaffen, ob hinsichtlich der aufgelisteten Rassen im Verhältnis zu anderen Rassen ein erhöhtes Verdachtspotential besteht.

Bereits in vorangegangenen Schriftsätzen wurde die Frage aufgeworfen, ob nach der höchstrichterlichen Rspr. möglicherweise § 1 a SOG als ausreichende gesetzliche Grundlage für Maßnahmen der Gefahrenvorsorge angesehen werden könnte. Es wurde näher dargelegt, dass dies nicht der Fall ist. Die nunmehr vorliegende Entscheidung unterstützt diese Auffassung eindrucksvoll. Bereits den Vorgängerentscheidungen lässt sich entnehmen, dass im Rahmen einer Regelung zur Gefahrenvorsorge der Gesetzgeber selbst die Rassen bestimmen muss, hinsichtlich der er Gefahrenvorsorge betreiben will. Es genügt mithin nicht, diese Bestimmung der Exekutive zu überlassen.

Der Entscheidung lässt sich nunmehr darüber hinaus entnehmen, dass der Aspekt der "Gefahrenvorsorge" bzw. "Vorbeugung" der Rechtsgrundlage selbst entnommen werden muss (...). Wie in § 17 SOG-MV oder § 1 SOG tauchen auch in § 1 a SOG die Aspekte der "Vorsorge" oder "Vorbeugung" nicht auf. In der Begründung zu dem Dringlichkeitsantrag (Drucksache 16/4464 vom 28.06.00) wird das "Nachschieben" von § 1 a SOG lediglich mit der Erwägung begründet:

"Aufgrund der weitgehend restriktiven Regelungen erscheint es angeraten, eine spezielle Verordnungsermächtigung für die Hundeverordnung im SOG zu schaffen."

Der Begründung des Gesetzes lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber ersichtlich der Auffassung war, auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr und nicht etwa auf dem Gebiet der "Gefahrenvorsorge" zu agieren. Deutlich wird dies etwa in der Formulierung:

"Ein milderes Mittel zur Abwendung dieser Gefahr für die Bevölkerung steht nicht zur Verfügung."

Es kann deshalb kein Zweifel daran bestehen, dass auch der Verordnungsermächtigung des § 1 a SOG der herkömmliche Gefahrenbegriff zugrunde liegt.

Abschließend soll noch die Frage angesprochen werden, ob es in Betracht kommen könnte, unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenerforschung Teile der Hundeverordnung, nämlich soweit sie sich auf Kat. II - Hunde beziehen, aufrechtzuerhalten. Nach Auffassung der Kläger ist dies eindeutig nicht der Fall.

Es liegt auf der Hand, dass dies schon deshalb nicht geht, weil bei Aufrechterhaltung der Hundeverordnung hinsichtlich der Kat. II - Hunde ein "Torso" verbliebe, welcher mit der ursprünglichen Hundeverordnung nichts mehr zu tun hätte. Die Rechtslage in Hamburg unterscheidet sich von der in Mecklenburg-Vorpommern darin, dass für die Hamburgische Hundeverordnung von vornherein die Möglichkeit ausscheidet, die Regelung insgesamt als Regelung der Gefahrenerforschung aufrechtzuerhalten.

Ferner ist noch einmal an dieser Stelle auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Beachtlichkeit des Gleichheitssatzes bei der Aufstellung einer "Rasseliste" für Maßnahmen der Gefahrenerforschung hinzuweisen. Die verbleibende Rasseliste wäre aus vielerlei Gründen evident gleichheitswidrig. Dies gilt insbesondere aus der - nach Auffassung der Kläger verfehlten - Sicht der Verordnungsgeberin, nach der die Notwendigkeit bestehen soll, die unter die Kat. I gefassten Hunderassen mit einer unwiderleglichen Gefahrenvermutung zu belegen.

Rechtsanwalt

Dr. Ulrich Wollenteit