"Einschläfern wäre eine Lösung"

Schill-Partei kritisiert hohe Kosten für Kampfhunde

Von Nicola Sieverling

Hamburg - Die Hamburger Kampfhunde-Verordnung vom Juli vergangenen Jahres wird nach Informationen von WELT am SONNTAG überarbeitet, um die hohen Kosten zu senken. In der Schill-Partei mehren sich kritische Stimmen, die ein Einschläfern der Kampfhunde fordern.

Rund 2,7 Millionen Mark jährlich fließen in den staatlichen Kampfhunde-Zwinger in Harburg, in dem derzeit 215 herrenlose und von der Staatsanwaltschaft wegen ihrer Gefährlichkeit eingezogene Vierbeiner untergebracht sind. "Das ist ein erheblicher Kostenblock. In der Stadt fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Deshalb besteht großer Handlungsbedarf. Wir werden die rechtlichen Gegebenheiten überprüfen", bestätigt der zuständige Gesundheitssenator Peter Rehaag (Schill-Partei) auf Anfrage.

Die Kosten für den Kampf gegen Kampfhunde sind enorm: Der Umbau der ehemaligen Lagerhalle zum Kampfhunde-Zwinger mit Fußbodenheizung und Sandauslauf verschlang drei Millionen Mark. Monatlich werden 38.000 Mark Miete an den Eigentümer fällig, für Pflege und Futter der 215 Hunde müssen allein 150.000 Mark monatlich an den privaten Betreiber überwiesen werden. 60 Kampfhunde harren außerdem im Tierheim Süderstraße aus.

Doch das Ziel der Verordnung, die Bürger nach dem schrecklichen Tod des kleinen Volkan vor weiteren Beißern zu schützen, wurde nicht erreicht. Die Vermittlungsquote für die Zwinger-Hunde - 80 Tiere in fünf Monaten - ist so gering, dass viele Hunde bis zu einem Jahr in ihrem acht Quadratmeter großem Knast in Dauerisolierung vegetieren. Erst am Donnerstag musste ein "durchgedrehter" Hund getötet werden.

Der Tierschutzverein Hamburg schlägt jetzt Alarm: "Mindestens 30 Hunde sind psychisch gestört und laufen im Kreis. Dass Hunde leiden und nicht artgerecht gehalten werden, können wir nicht länger hinnehmen. Die Staatsanwaltschaft muss sich selbst prüfen, ob sie die eigene Verordnung überhaupt noch einhält", erklärt Tierheimchef Wolfgang Poggendorf gegenüber WELT am SONNTAG.

Der Schill-Bürgerschaftsabgeordnete Frank-Michael Bauer, Mitglied im Arbeitskreis Tierschutz, schließt deshalb eine Tötung dieser Hunde nicht mehr aus. "Die Tiere sind doch völlig verstört. Für den Hund ist es eine Erlösung, für den Steuerzahler eine Entlastung." Auch aus der Gesundheitsbehörde kommen ähnliche Überlegungen. "Einschläfern wäre eine Lösung", heißt es. Landestierarzt Peter Brehm macht klar: "Dafür muss ein rechtfertigender Grund vorliegen. Das kann auch die Unvermittelbarkeit sein. Die Tötung eines Tieres ohne Begründung ist ein Straftatbestand." 80 Hunde, die den zweistündigen Wesentest nicht bestanden, wurden seit Bestehen der Verordnung getötet.

Erbost ist Wolfgang Poggendorf besonders darüber, dass der achtköpfige Hundekontrolldienst des Bezirksamtes Mitte häufig harmlose Mischlinge und Hunde trotz behördlicher Erlaubniserteilung und Hundemarke in den Zwinger transportiert. "Die sind auf Quoten angewiesen, um zu existieren, und nehmen alles mit, was sie auf der Straße finden", kritisiert Poggendorf und fordert eine Abschaffung des Hundekontrolldienstes. Spätestens zum 31. August 2002, wenn die Verträge der Mitarbeiter auslaufen. Der für die Bezirke zuständige Justizsenator Roger Kusch will die Vorwürfe jetzt prüfen.

In einem Protestbrief, der kommende Woche dem Gesundheitssenator zugeleitet wird, macht sich der Vorsitzende des Tierschutzvereins für Alternativmaßnahmen stark. Seiner Ansicht nach ist die Hundeverordnung gescheitert. So sollten Tierärzte vor Einzug des Hundes ein Rassegutachten anfertigen, um die Gefährlichkeit des Tieres zu beweisen. Außerdem müssten Hundepass und eine Zwangshaftversicherung für den Vierbeiner her. Ebenso wie der Schill-Abgeordnete Bauer will Poggendorf die Beamten in den Wirtschafts- und Ordnungsämtern sowie die Polizei im Umgang mit Hunden besser geschult wissen. Die Schill-Fraktion plant, das Thema Tierschutz fest in den Lehrplan an Hamburgs Schulen aufzunehmen.

Trotz der Bedenken und Kritik an den Folgen der Verordnung gibt es auch eine positive Begleiterscheinung. "Die Akzeptanz in der Gesellschaft für Kampfhunde ist nicht mehr vorhanden, und die schlimmsten Hunde sind im Wesentlichen weg", bilanziert Landestierarzt Peter Brehm.

WELT am SONNTAG, 09. 12. 2001: http://www.welt.de/daten/2001/12/09/1209h1301290.htx