Experten kritisieren Rasselisten für Hunde
Kommunen warnen vor finanziellen Belastungen und schlagen mehr Eigenverantwortung vor
Von Silke Katenkamp
Düsseldorf
Auf einer Expertenanhörung im Düsseldorfer Landtag am
Freitag haben Tierärzte, Juristen und Vertreter von
Hundeverbänden massive Kritik am Entwurf der rot-grünen
Landesregierung für das neue Hundegesetz vorgebracht. Besonders
heftig kritisierten sie die vorgesehene Beibehaltung der
Rasselisten und die Sonderregelungen für Hunde ab 20 Kilogramm
und 40 Zentimeter Rückenhöhe. Die Gefährlichkeit eines Hundes
sei weder an der Rasse noch an Größe und Gewicht festzumachen,
so das einhellige Urteil.
Einstimmig abgelehnt wurde die generelle Anleinpflicht für so
genannte große Hunde, die von den Fachleuten als
tierschutzwidrig bezeichnet wurde. Bei Hunden, die
ausnahmslos an der Leine geführt werden, kann es zu einem
Aggressionsstau kommen, wodurch Beißvorfälle nur gefördert
werden, sagte Rolf Brahm von der Tierärztekammer
Westfalen-Lippe. Willkürlich und überzogen
nannten die Fachleute die vorgesehenen Maßregeln für bestimmte
Rassen sowie Geldbußen bis zu 100000 Euro.
Die kommunalen Verbände warnten vor neuen finanziellen Belastungen durch die Novelle. Bereits der jüngste, erst im Sommer 2000 verabschiedete Hunde-Erlass habe in einigen Städten Kosten von bis zu einer halben Million Euro jährlich ausgelöst. Darin enthalten seien erhebliche Unterbringungskosten für ausgesetzte Kampfhunde und Rasselisten-Tiere. Zudem bezweifeln die Fachleute, ob das Parlament mit dem Versuch, ein gegen alle möglichen Gefahren präventiv wirkendes Gesetz einzusetzen nicht überfordert sei. Sie schlugen vor, individuelle Regeln wie die Anleinpflicht den Kommunen zu überlassen.
Der Fraktionsvize der Grünen, Reiner Priggen, versicherte: Alles, was an sinnvollen Anregungen aus der Anhörung kommt, werden wir in den Gesetzentwurf aufnehmen. Die Experten befürchten allerdings das Gegenteil. Sie hatten immer wieder kritisiert, dass ihr Fachwissen nicht in die im Juni 2000 in Kraft getretene Landeshundeverordnung eingeflossen sei. Wir appellieren an alle Parteien, die Verbesserungsvorschläge der Verbände für das neue Gesetz ernst zu nehmen, sagte Bernhard Meyer vom Verband des Deutschen Hundewesens. Es werde sich noch zeigen, ob es sich bei der heutigen Anhörung nur um eine Alibi-Veranstaltung von Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) handele. Sie hatte den Entwurf vor sechs Wochen im Landtag eingebracht.
Süddeutsche Zeitung, 20.4.2002