Hamburgisches Oberverwaltungsgericht

Beschluss vom 22.02.02 (2 Bs 321/01 - 10 VG 1980/2001)

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 17. September 2001 geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. Mai 2001 wird wiederhergestellt, soweit sich der Widerspruch gegen die Untersagung der Haltung der Hunde "Ciljana" und "Thylan" und gegen die Anordnung ihrer Sicherstellung richtet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin beantragte am 30. November 2000 eine Erlaubnis zum Halten ihrer beiden American Staffordshire Terrier "Ciljana" und "Thylan". Erforderliche Nachweise brachte die Antragstellerin trotz mehrfacher Aufforderungen der Antragsgegnerin unter Hinweis auf ihre schwierige finanzielle Lage nicht bei.

Mit Bescheid vom 4. Mai 2001 hat die Antragsgegnerin wegen der fehlenden Nachweise den Antrag der Antragstellerin auf Erlaubnis zur weiteren Haltung ihrer beiden gefährlichen Hunde abgelehnt. Zugleich hat sie ihr mit einem weiteren Bescheid vom 4. Mai 2002 u.a. unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die weitere Haltung der Hunde untersagt und deren Sicherstellung angeordnet.

Im Verfahren auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 29. Mai 2001 gegen die Haltungsuntersagung brachte die Antragstellerin die fehlenden Nachweise mit zeitlichen Abständen bei. Eine Tierärztin bescheinigte ihr, dass ihre Hunde am 19. Juni bzw. 2. Juli 2001 kastriert und gechipt worden seien. Vom 3. August bis zum 12. September 2001 besuchte sie mit dem Hund "Ciljana" und vom 14. September bis zum 24. Oktober 2001 mit dem Hund "Tylan" eine Hundeschule. Einen Sachkundenachweis reichte sie am 20. November 2001 zur Akte. Eine Haftpflichtversicherung für ihre Hunde schloss die Antragstellerin für den Zeitraum ab 23. November 2001 ab.

Vor Beibringung aller Nachweise lehnte das Verwaltungsgericht Hamburg den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Haltungsuntersagung mit Beschluss vom 17. September 2001 ab, weil die Antragstellerin die erforderliche Erlaubnis nicht besitze und sie ihr wegen Unzuverlässigkeit auch nicht erteilt werden dürfe. Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Antragstellerin ergäben sich daraus, dass sie trotz mehrfacher Hinweise und Aufforderungen durch die Antragsgegnerin und das Gericht ihren Pflichten aus der Hundeverordnung nicht nachgekommen sei. Einen Erlaubnisantrag habe sie erst nach Ablauf der Übergangsfrist gestellt. Dabei habe sie aber nicht die erforderlichen Nachweise erbracht und auch nicht hinreichend dargelegt, welche Bemühungen sie unternommen habe, um diese zu erlangen und warum diese Bemühungen nicht zum Erfolg geführt hätten. Der Hinweis auf ihre finanziellen und organisatorischen Schwierigkeiten entlaste sie nicht. Ihr Verhalten zeige vielmehr, dass sie nicht gewillt sei, den Anforderungen der Hundeverordnung zu entsprechen. Sie sei nur dann bereit, die Voraussetzungen der Hundeverordnung zu erfüllen, wenn sie dazu nachhaltig angehalten werde und ansonsten unmittelbare Konsequenzen befürchten müsse. Angesichts des Gefahrenpotentials, dem mit den Regelungen der Hundeverordnung begegnet werden solle, sei ein solches Verhalten nicht hinnehmbar.

 II.

Die durch Beschluss des Beschwerdegerichts vom 14. Januar 2002 zugelassene Beschwerde hat Erfolg. Denn die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 4. Mai 2001, mit dem der Antragstellerin die weitere Haltung ihrer American Staffordshire Terrier "Ciljana" und "Thylian" gemäß § 7 Abs. 1 HundeVO wegen fehlender Erlaubnis untersagt wurde, erscheinen derzeit als offen und das Interesse der Antragstellerin an einem Verbleib der Hunde in ihrer Obhut überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Haltungsuntersagung und Sicherstellung der Hunde.

Zwar hat die Antragsgegnerin zu Recht die Untersagung der Hundehaltung auf § 7 Abs. 1 HundeVO gestützt, weil die Antragstellerin entgegen § 11 Abs. 2 HundeVO die Erlaubnis nach § 2 HundeVO nicht bis zum 28. November 2000 beantragt und die Voraussetzungen für die Erteilung dieser Erlaubnis nachgewiesen hat (vgl.: OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 2 Bs 271/01). Aber die Antragsgegnerin ist bei einem aussichtsreichen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis gleichwohl gehalten, auf diese Sachlage jedenfalls bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung Rücksicht zu nehmen (vgl.: OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Oktober 2001, a.a.O.). Die sofortige Beendigung der Hundehaltung wäre im vorliegenden Fall deshalb nur dann unbedenklich, wenn der Widerspruch der Antragstellerin gegen die Versagung der Erlaubnis keine Erfolgsaussichten hätte. Das ist jedoch nicht der Fall, sondern die Erfolgsaussichten des - zu bescheidenden Erlaubnisantrags (vgl.: OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Oktober 2001, a.a.O.) - erscheinen derzeit offen.

Die Antragstellerin hat inzwischen offenbar alle von der Antragsgegnerin für eine Erlaubniserteilung geforderten Unterlagen und Nachweise beigebracht. Offen erscheint lediglich noch die Frage, ob die Antragstellerin die gemäß §§ 2 Abs. 1, 3 HundeVO erforderliche Zuverlässigkeit für den Umgang mit gefährlichen Hunden besitzt, weil sie die für eine Erlaubniserteilung notwendigen Unterlagen und Nachweise nur sehr zögerlich in einem langen Zeitraum beibrachte. Sollte dieses Verhalten darin begründet sein, die Erlaubnispflicht und die Erlaubnisvoraussetzungen zu unterlaufen, würde dies Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Antragstellerin begründen (vgl.: OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Oktober 2001, a.a.O.; Beschluss vom 20. Juni 2001 - 2 Bs 128/01 -; Beschluss vom 9. Februar 2001 - 2 Bs 304/00 -). Im Gegensatz zur Auffassung der Antragstellerin beschränkt sich die Prüfung der Zuverlässigkeit nicht auf die im Katalog des § 3 HundeVO aufgeführten Tatbestände, wie sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt.

Die Frage, ob der Antragstellerin wegen ihres im Erlaubnisverfahren gezeigten Verhaltens die erforderliche Zuverlässigkeit für den Umgang mit gefährlichen Hunden fehlt, lässt sich in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht hinreichend sicher beurteilen und muss der Klärung im Widerspruchsverfahren vorbehalten bleiben. Die Antragstellerin hat zur Erklärung ihres säumigen Verhaltens bei der Beibringung der Nachweise detailliert auf ihre begrenzten finanziellen Mittel und auf ihre Schwierigkeiten beim Transport der Hunde zur Hundeschule verwiesen. Diese Ausführungen könnten das Verhalten der Antragstellerin plausibel machen und es ausschließen, dass sie sich lediglich zumindest zeitweise den Pflichten aus der Hundeverordnung entziehen wollte. Ihr Verhalten kann allerdings sowohl Ausdruck des Bemühens in schwieriger Lage um die Einhaltung der Verpflichtungen aus der Hundeverordnung als auch Indiz für den Willen sein, die Verpflichtungen aus der Hundeverordnung möglichst nicht zu erfüllen. Dies aufzuklären und abschließend zu bewerten, was nicht unwesentlich von der Glaubwürdigkeit der Antragstellerin aufgrund eines persönlichen Eindrucks abhängen dürfte, kann hier ohne weiteres dem dafür vorgesehenen Rechtsmittelverfahren vorbehalten bleiben.

Da es auch keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung Dritter durch die Hunde der Antragstellerin gibt, bei denen auch die Antragsgegnerin davon ausgeht, dass es sich um integrierte Familienhunde handelt, überwiegt das Interesse der Antragstellerin, die Hunde vorerst noch weiter in ihrer Obhut zu behalten.

III.

Die Nebenentscheidungen über die Kosten und zum Streitwert beruhen auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.