Hamburgisches Oberverwaltungsgericht

 

2 Bs 11/01

5 VG 4624/2000

 

B e s c h 1 u ß vom 24. April 2001

 

 

Soweit die Antragsteller zu 2) und 3) das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt; insoweit ist der Beschluß des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 12. Dezember 2000 wirkungslos.

 

Im übrigen wird die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 12. Dezember 2000 nicht zugelassen.

 

Von den Kosten des Zulassungsverfahrens tragen die Antragsteller zu 2 und 3 als Gesamtschuldner 1/2 und die Antragstellerin zu 1 ebenfalls 1/2.

 

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 8.000,00 DM festgesetzt.

 

G r ü n d e

 

Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde, soweit er sich nicht durch die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten erledigt hat, weil die Antragsteller zu 2) und 3) inzwischen für ihren Hund eine Haltungserlaubnis erhalten haben, hat keinen Erfolg.

 

Die Antragstellerin zu 1) ist Halterin eines American Pitbull Terriers, die Antragsteller zu 2) und 3) sind Halter eines American Staffordshire Terrier Mischlings.  Sie begehren im Klagverfahren 5 VG 3300/2000 die Feststellung, daß sie nicht verpflichtet seien, für die Haltung ihrer Hunde eine Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 der Hundeverordnung vom 18. Juli 2000 (GVBl.  S. 152) zu beantragen und den Verpflichtungen aus § 4 HundeVO nachzukommen; eine Entscheidung ist bisher nicht ergangen.  Im vorliegenden Verfahren begehren die Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung, schon vorläufig festzustellen, daß sie einstweilen ihre Hunde auch ohne Erlaubnis im Sinne von § 2 Abs. 1 HundeVO halten können, einstweilen ihre Hunde auch außerhalb ihres eingefriedeten Besitztums unangeleint und ohne Maulkorb ausführen dürfen und einstweilen nicht verpflichtet seien, ein Warnschild im Sinne von § 4 Abs. 4 HundeVO anzubringen.  Das Verwaltungsgericht Hamburg lehnte den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung u.a. mit der Begründung ab, daß den Antragstellern ohne den vorläufigen Rechtsschutz nicht die dafür erforderlichen schweren und unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteile drohten.  Dabei sei ein besonders strenger Maßstab anzulegen, weil faktisch die Hundeverordnung außer Vollzug gesetzt werden solle.  Bei der Abwägung hätten die Interessen der Antragsteller gegenüber den Interessen der Bevölkerung, vor gefährlichen Hunden geschützt zu werden, zurückzustehen.  Das einstweilige Anordnungsverfahren sei weder geeignet, Beurteilungen über die Gefährlichkeit ihrer Hunde noch eine abschließende Beurteilung des Leinen- und Maulkorbzwangs herbeizuführen, noch sei dies zur Entscheidung über den Antrag nötig.  Eine Abwägung der besonders geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Menschen mit den von den Antragstellern geltend gemachten Rechtsgütern ergebe, daß die Antragsteller bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens die Nachteile hinnehmen müßten, die mit der Befolgung der in der Hundeverordnung sanktionierten Ge- und Verbote verbunden seien.

 

Die Antragsteller haben keine Gründe dargelegt, die es rechtfertigen könnten, dagegen nach §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 VwGO die Beschwerde zuzulassen.

 

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben sich aus der Begründung des Zulassungsantrags nicht.

 

Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO käme angesichts der im Eilverfahren nicht schon sicher zu beurteilenden Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens nur in Betracht, wenn es den Antragstellern unter Berücksichtigung ihrer Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und gegebenenfalls der Interessen anderer Personen nicht zumutbar wäre, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.  Bei dieser Beurteilung des Anordnungsgrundes ist ein strenger Maßstab anzulegen, weil die Antragsteller begehren, daß die Verpflichtungen aus einer Rechtsvorschrift, der Hundeverordnung, vorläufig nicht auf sie angewendet wenden soll (vgl.: BVerfG, Beschluß vom 25. September 2000, NVwZ 2000 S. 1408; OVG Lüneburg, Beschluß vom 31. August 2000, NVwZ 2000 S. 1440; OVG Hamburg, Beschluß vom 9. Februar 2001 - 2 Bs 360/00 -). Insoweit gilt nichts anderes als in den Verfahren gemäß § 32 Abs. 1 BverfGG oder § 47 Abs. 6 VwGO, soweit es um die vorläufige Außervollzugsetzung von Rechtsvorschriften geht.  Zwar gelten in jenen Verfahren für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung von vorneherein strengere Maßstäbe.  Aber da die Antragsteller auch in diesem Verfahren gerade die vorläufige Freistellung von sich unmittelbar aus der Hundeverordnung ergebenden - gesetzlichen - Verpflichtungen begehren, ist es gerechtfertigt, auch in Verfahren nach § 123 VwGO einen strengen Maßstab anzuwenden.  Hiervon ist auch das Verwaltungsgericht Hamburg in seiner angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgegangen.

 

Im Gegensatz zur Auffassung der Antragsteller sind ihre Interessen an einer vorläufigen Regelung und das entgegenstehende öffentliche Interesse an der strikten Einhaltung der Hundeverordnung vom Verwaltungsgericht auch zutreffend bewertet und gewichtet worden.

Auf der einen Seite besteht die Gefahr, daß sich die Risiken aus der Haltung gefährlicher Hunde, die mit der Hundeverordnung bekämpft werden sollen, auch im vorliegenden Fall verwirklichen.  Die Hundeverordnung geht davon aus, daß bei den Hunden gemäß § 1 Abs. 1 HundeVO, zu denen die Hunde der Antragsteller rechnen, die Eigenschaften als gefährliche Hunde - mit den sich daraus ergebenden Verpflichtungen - stets vermutet wird.  Trotz der Gutachten von Frau Dr. Schöning vom 16. und 27. November 2000, in denen sie ausführt, die Hunde der Antragsteller besäßen zum momentanen Zeitpunkt keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren, verbleibt insoweit ein Restrisiko. Bei Ergehen der von den Antragstellern begehrten einstweiligen Anordnung könnte sich dieses Restrisiko verwirklichen, das der Verordnungsgeber aber gerade nicht hinnehmen will.

 

Auf der anderen Seite ergeben sich für die Antragsteller und ihre Hunde bei Nichterlaß der begehrten einstweiligen Anordnung zwar nachteilige Folgen.  Aber diese sind nicht so schwerwiegend, daß sie bei Anwendung des gebotenen strengen Maßstabs den Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnten.

 

Im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin angekündigte Nichterteilung einer Erlaubnis zum Halten des Hundes der Antragstellerin zu 1) bedarf es keiner einstweiligen Anordnung.  Der Antragstellerin ist es ohne weiteres zuzumuten, ihre Einwände gegen die Nichterteilung der Erlaubnis, mit denen sie sich insbesondere gegen das Sterilisationserfordernis wendet, in jenem Rechtsmittelverfahren geltend zu machen und für den Fall, daß ihr wegen der fehlenden Erlaubnis die Hundehaltung untersagt werden sollte, die dagegen zulässigen Rechtsbehelfe zu ergreifen.

 

Selbst wenn dies dazu führen sollte, daß der Hund der Antragstellerin zu 1) ohne die begehrte einstweilige Anordnung zu sterilisieren wäre oder die Antragstellerin mangels Erlaubnis gezwungen werden würde, sich von ihrem Hund zu trennen, bevor das Hauptsacheverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, würden diese Nachteile für die Antragstellerin zu 1) bei Anwendung des gebotenen strengen Maßstabs nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen für die Allgemeinheit bei einem Verzicht auf die Erlaubnisvoraussetzungen (vgl.: BVerfG, Beschluß vom 25. September 2000, a. a. 0.).

 

Auch der weiterhin bestehende Maulkorb- und Leinenzwang mag die Hunde der Antragsteller in mancher Hinsicht beeinträchtigen.  Aber der Maulkorb- und Leinenzwang, um den ebenfalls im Hauptsacheverfahren gestritten wird, gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 HundeVO nur außerhalb eingefriedeten Besitztums sowie in Treppenhäusern, in Fluren und auf Zuwegen von Mehrfamilienhäusern.  Auf eingefriedeten Besitztümern könnten auch die Hunde der Antragsteller unangeleint und ohne Maulkorb herumlaufen.  Schwere Schäden in der Entwicklung der Hunde dürften vor diesem Hintergrund im begrenzten Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache eher nicht wahrscheinlich sein (vgl.: OVG Lüneburg, Beschluß vom 31. August 2000, a.a.0.). Jedenfalls überwiegen sie nicht das Interesse der Allgemeinheit an der Wirksamkeit der Hundeverordnung.

 

Das gleiche gilt hinsichtlich der von den Antragstellern behaupteten stigmatisierenden Wirkung, Anfeindungen und herabsetzenden Bemerkungen, die von einem Hund mit Maulkorb und dem Warnschild gemäß § 4 Abs. 2 HundeVO ausgehen sollen.  Diese Nachteile haben ihre Ursache zudem nicht unmittelbar in erster Linie im verordneten Maulkorb- und Schilderzwang, sondern - wie die Antragsteller selbst vortragen - im Verhalten Dritter.

Soweit die Antragsteller geltend machen, die Hundeverordnung sei ganz oder teilweise rechtswidrig, kann in diesem Verfahren dahin stehen, ob oder inwieweit diese Auffassung zutrifft.  Denn offenkundig ist dies nicht, vielmehr hat das Beschwerdegericht zu einigen Regelungen der Hundeverordnung bereits ausgeführt, daß rechtliche Bedenken nicht bestehen (vgl.: OVG Hamburg, Beschluß vom 11. Dezember 2000 - 2 Bs 311/00), so daß eine mögliche Rechtswidrigkeit von Regelungen der Hundeverordnung in diesem Verfahren bei der im Rahmen der Beurteilung des Anordnungsgrundes gebotenen Interessenabwägung außer Betracht zu bleiben hat.

 

Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO weist die Rechtssache im Gegensatz zur Auffassung der Antragsteller nicht auf.  Die Ermittlung des anzuwendenden Prüfungsmaßstabs ist - wie die obigen Ausführungen zeigen - ohne besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten möglich.  Die von den Antragstellern als rechtlich schwierig bezeichnete Frage, ob vom allgemeinen Leinen- und Maulkorbzwang im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig abgesehen werden kann, läßt sich ebenfalls ohne besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten beantworten (s. o.). Die mit der Gültigkeit der Hundeverordnung in Zusammenhang stehenden Fragen, mögen teilweise rechtlich schwierig sein, sie sind für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren aber nicht von Bedeutung (s. o.).

 

Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist es entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und die erstinstanzliche Entscheidung entsprechend §§ 173 VwGO, 269 Abs. 3 ZPO für wirkungslos zu erklären.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 S. 2, 161 Abs. 2 VwGO.  Hinsichtlich des erledigten Teils des Verfahrens wäre der Zulassungsantrag ohne das erledigende Ereignis aus den oben dargestellten Gründen ebenfalls erfolglos geblieben.  Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

 

Schulz Jahnke Huusmann