Hamburgisches
Oberverwaltungsgericht
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Bs 361/00
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VG 3902/2000
B e s c h 1 u ß vom 6. Februar 2001
Auf
die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts
Hamburg vom 24. November 2000 abgeändert.
Die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Verfügung
der Antragsgegnerin vom 19. September 2000 wird wiederhergestellt.
Die
Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Der
Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren einschließlich des
Zulassungsverfahrens auf 4.000,-- DM festgesetzt.
G r ü n
d e:
I.
Die
Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Die Erfolgsaussichten ihres
Widerspruchs gegen die angefochtene Verfügung erscheinen derzeit als offen und
ihr Interesse, ihren Hund in ihrer Obhut zu behalten, überwiegt das öffentliche
Interesse an der sofortigen Vollziehung der Haltungsuntersagung.
1. Nach § 7 Abs. 1 HundeVO "untersagt (die
zuständige Behörde) das Halten eines Hundes, wenn ... die Hundehalterin oder
der Hundehalter gegen die Vorschriften des § 4 verstößt". Der Senat neigt
zu der Auffassung, daß nicht bereits jeder Verstoß gegen die Vorschrift des § 4
HundeVO nach § 7 Abs. 1 HundeVO zwingend zur Untersagung der Hundehaltung
führt. Dies ergibt sich nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift, der - anders als
in Fällen des § 7 Abs. 2 HundeVO - ein Ermessen nicht eröffnet, jedoch nicht
ausdrücklich behandelt, ob bereits jeder Verstoß die zwingende Untersagung nach
sich zieht. Rein nach dem Wortlaut der Bestimmung könnte jeder auch noch so
geringfügige Verstoß gegen die zahlreichen Bestimmungen aus § 4 HundeVO die
Verwaltungsbehörde zur Untersagung verpflichten. Insoweit wäre zum Beispiel ein
Vorgehen nach § 7 Abs. 1 HundeVO ohne weiteres geboten, wenn entgegen § 4 Abs.
2 HundeVO an einem unbedeutenden Nebeneingang das erforderliche Warnschild
fehlte. Eine Haltungsuntersagung wird indes in vielen Fällen - etwa bei
langjährigen Beziehungen von Hundehaltern zu ihren Tieren - tief in die
Interessensphäre der Betroffenen eingreifen und berührt die Grundrechte aus
Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Vor diesem Hintergrund legen einerseits
der alle staatliche Gewalt bindende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und
andererseits die aus § 3 Satz 1 Nr. 2 HundeVO erkennbare Bewertung, daß erst
gröbliche oder wiederholte Verstöße gegen die Gebote der §§ 4 bis 6 HundeVO die
Zuverlässigkeit für die Haltung eines gefährlichen Hundes ausschließen, es
nahe, daß es auch für § 7 Abs. 1 HundeVO noch auf eine Bewertung des mit § 4
HundeVO nicht vereinbaren Verhaltens ankommt (vgl. bereits Beschlüsse des
Senats vom 11.12.2000 - 2 Bs
311/00 - und 30.1.2001 - 2 Bs 344/00 -).
2. Für den vorliegenden Fall dürfte von einem
eher untergeordneten Verstoß gegen § 4 Abs, 1 HundeVO auszugehen sein. Die
Antragstellerin hat am 26. Juli 2000, also wenige Tage nach Inkrafttreten der
Hundeverordnung vom 18. Juli 2000, spät abends, das heißt zu einem Zeitpunkt,
zu dem üblicherweise nur noch wenige Passanten anzutreffen sind, ihrem Hund den
Maulkorb kurzzeitig abgenommen. Nach ihren derzeit unwiderlegten Einlassungen
hatte sie sich zudem zuvor vergewissert, daß kein anderer Fußgänger in der Nähe
war. Darüber hinaus hat sie ihren Hund an der Leine behalten, so daß sie seine
Bewegungen kontrollieren konnte. Nachdem sie von Polizeibeamten angesprochen
worden war, zeigte sie sich einsichtig und war, wie es im Bericht der Polizei
heißt, sofort bereit, ihrem Hund den Maulkorb wieder aufzusetzen.
3. Der Senat geht unter den genannten Umständen davon aus, dass der
Ausgang des Widerspruchsverfahrens offen ist. Bei dieser Sachlage überwiegt das
Interesse der Antragstellerin, ihren Hund zu behalten, das von der
Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid geltend gemachte öffentliche
Interesse an der Vermeidung von möglichen Gefahren für Leben und Gesundheit
Dritter. Denn eine konkrete Gefährlichkeit des Hundes der Antragstellerin ist
derzeit nicht erkennbar. In dem vorgelegten Gutachten des Instituts für
Haustierkunde der Universität Kiel vom 9.10.2000 wird dem Hund vielmehr
bescheinigt., daß er zurzeit keinerlei Anzeichen einer Gefährdung für Dritte
biete. Dies deckt sich mit der Einschätzung der Polizeibeamten aus Anlaß des
Vorfalles vom 26.07.2000, derzufolge das Tier "einen trägen gutmütigen
Eindruck" gemacht habe. Aus der Auseinandersetzung eines Bekannten der
Antragstellerin mit einem anderen Mann am 16.06.2000, in deren Verlauf es zum
Hetzen von Hunden gekommen sein soll, folgt nichts Gegenteiliges. Nach
Aktenlage ist nicht erkennbar, daß der Hund der Antragstellerin seinerzeit in
gefahrbringender Art und Weise eingesetzt worden ist. Ohne Belang ist
schließlich, daß die Antragstellerin für ihren Hund zunächst keine Steuern
bezahlt hat. Mit der Frage, ob ein Tier gefährlich ist oder nicht, hat dieser
Umstand nichts zu tun. Der Senat geht schließlich auch davon aus, daß die
Antragstellerin die Gebote des § 4 HundeV0 trotz der von ihr vertretenen
Rechtsauffassung zur Gesetz- und Verfassungswidrigkeit insbesondere eines
dauernden Maulkorbzwangs für alle von § 1 Abs. 1 HundeVO erfaßten Tiere künftig
beachten wird, sofern sie sich nicht auf eine gerichtliche Klärung der
Rechtslage mit dem von ihr vertretenen Ergebnis berufen kann.
Entfällt
- wie sich aus vorstehendem ergibt - die sofortige Vollziehbarkeit der
Haltungsuntersagung, ist damit bereits von daher auch der im angefochtenen
Bescheid desweiteren angeordneten Sicherstellung nach § 14 Abs. 1 a SOG die
Grundlage entzogen, so daß auch insoweit die aufschiebende Wirkung des
Widerspruchs wiederherzustellen ist.
II.
Die
Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.
Bei der Festsetzung des Streitwertes geht das Gericht mangels anderweitiger
Anhaltspunkte nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG von 8.000,-- DM aus. Dieser Betrag ist mit Rücksicht darauf, daß
es sich hier um ein Eilverfahren handelt, zu halbieren.