Kölner Stadt-Anzeiger Politik 24.8.2001 23:44

Papier unter Verschluss
Hundeverordnung "nicht vertretbar"
Von Jutta Vossieg

Köln - "Nicht erforderlich und nicht vertretbar" nennen die Hunde-Experten von Polizei, Bundeswehr, Bundesgrenzschutz und Zoll die Hundeverordnungen der Länder. Ihr "Arbeitskreis Diensthundwesen", dem die Leiter der Diensthunde-Abteilungen aller 16 Länder-Polizeien und der drei Bundeseinrichtungen angehören, verfasste eine entsprechende Resolution, die allerdings bisher unter Verschluss gehalten wird. Das Papier liegt dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vor.

In den Hundeverordnungen der Länder, im Sommer 2000 nach einer Häufung von Hunde-Attacken in aller Eile erlassen, werden Hunde bestimmter Rassen als gesteigert aggressiv definiert, deshalb besteht Leinen- und Maulkorbzwang. Ihren Haltern werden überdies diverse Auflagen gemacht.

Dazu der Arbeitskreis: "Es ist fachlich nicht vertretbar, die Gefährlichkeit von Hunden mit ihrer Rassezugehörigkeit zu verbinden. Sie muss vielmehr individuell und verhaltensorientiert definiert werden. Es gibt nachweislich keine gesteigert gefährliche Hunderasse, sondern unabhängig von Rassen gefährliche Hunde. Diese Aussage ergibt sich aus allen fachpraktischen Erfahrungen und Kenntnissen, aus bisherigen gezielten Überprüfungen bestimmter Rassen und allen bekannten wissenschaftlichen Aussagen."

Angesichts dieser "fachlich nicht haltbaren" Auflagen müsse die Wirkung der Hundeverordnungen für die öffentliche Sicherheit bezweifelt werden, so die staatlichen Hunde-Profis. Sie betonen, dass Menschenschutz vor Tierschutz rangiert, rügen aber den Leinen- und Maulkorbzwang als "nicht artgemäß". "Diese Hunde können sich neurotisch und in der Folge übersteigert gefährlich entwickeln".

Die 19 Fachleute sehen es "nach Interessenabwägung" als ihre Pflicht an, "aus rechtlichen und ethischen Gründen" gegen diese Verordnungen Stellung zu beziehen. Schließlich sei der Hund wegen seiner besonderen Fähigkeiten domestiziert worden und sei als "wertvolles Kulturgut" in die Gesellschaft integriert.

Sie fordern die zuständigen Ministerien auf, "bundeseinheitliche, sachgerechte und tierschutzkonforme Regelungen" zu erarbeiten, um "mit wirkungsvollen Instrumenten gegen kriminelle und unzuverlässige Hundehalter und gefährliche Hunde vorzugehen". Dazu bieten sie an, ihre polizeiliche und fachliche Kompetenz zur Verfügung zu stellen.

Die Resolution wurde bereits vor einiger Zeit einstimmig gefasst, ist aber bisher nicht veröffentlicht worden - angeblich wurden die Beteiligten massiv unter Druck gesetzt.

Inzwischen hat auch der Bundestag ein Gesetz erlassen, in dem vier Hunderassen als besonders gefährlich definiert und ihren Besitzern scharfe Auflagen gemacht werden bis hin zur Aufhebung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung.

http://www.ksta.de/politik/1970562.html